Innsbruck, ehem. Stadtsaal: Unterschied zwischen den Versionen
Markierungen: Mobile Web-Bearbeitung Mobile Bearbeitung |
Markierungen: Mobile Web-Bearbeitung Mobile Bearbeitung |
||
Zeile 14: | Zeile 14: | ||
2016 Umsetzung nach Ötztal-Bahnhof <ref name="Ötztal">Siehe: [[Ötztal-Bahnhof, St. Josef | Orgel der Pfarrkirche Ötztal-Bahnhof]]</ref> | 2016 Umsetzung nach Ötztal-Bahnhof <ref name="Ötztal">Siehe: [[Ötztal-Bahnhof, St. Josef | Orgel der Pfarrkirche Ötztal-Bahnhof]]</ref> | ||
|GEHÄUSE = | |GEHÄUSE = | ||
− | |GESCHICHTE = Nach der Zerstörung des alten Stadtsaales im Zweiten Weltkrieg (Bild 4, mit einer Rieger-Orgel mit 40 Registern) wurden neue Stadtsäle errichtet. Der größte von ihnen erhielt die "Stadtsaalorgel", die im Jahr 1955 durch den Orgelbauer E.F. Walcker erbaut wurde. Die Disposition entwarfen Prof. Alois Forer und Musikdirektor Kurt Rapf. | + | |GESCHICHTE = Nach der Zerstörung des alten Stadtsaales im Zweiten Weltkrieg (Bild 4, mit einer Rieger-Orgel mit 40 Registern) wurden neue Stadtsäle errichtet. Der größte von ihnen erhielt die "Stadtsaalorgel", die im Jahr 1955 durch den Orgelbauer E.F. Walcker erbaut wurde. Die Disposition entwarfen Prof. Alois Forer und Musikdirektor Kurt Rapf. Forer würdigte das Instrument ausführlich in einem Aufsatz in der ''Walcker Hausmitteilung'': |
+ | |||
+ | ''"Dieses neue Werk ist nun tatsächlich in jeder Hinsicht ein richtungweisendes Instrument und ein Meilenstein auf dem weiteren Entwicklungsweg mechanischer Schleifladenorgeln auch in Österreich.''" | ||
+ | |||
+ | Wenig überraschend verurteilt er das Zeitalter des romantischen Orgelbaus durch eine bewusste Polemik: | ||
+ | |||
+ | "''Die Orgel mußte die für sie ungünstige Geschmacksänderung mehr oder weniger mitmachen, sank zu einem Begleitinstrument herab, was in der Folge auch zu einem Verfall der Orgelbaukunst führte. Dazu kam noch, daß die Orgelbauer in ihrer Erfindungssucht nach Vervollkommnung immer neuer Arten von Trakturen und Ladensystemen die Weiterentwicklung der Mechanik und der Schleiflade vergaßen und der Industrialisierung Tür und Tor öffneten. (...) So wurde die Orgel durch die pneumatische und elektrische Bauweise und die Verwendung von Registerladen zu einer nicht stets vertrauenswürdigen Musikmaschine. In diesem System lag auch das Bestreben, nicht durch Güte der Register, sondern durch eine möglichst große Zahl der Stimmen zu glänzen, was zwangsläufig zum Bau der »kraftlos brüllenden Ungeheuer« führte, die Kirchen und Konzertsäle mit ihrem Tonbrei überfluteten. Diese überzüchteten Produkte einer gottlob flüchtigen Geschmacksverirrung, die weder klanglich entsprachen noch verläßlich waren und den Organisten höchstens zum geschickten Maschinisten erzogen, bewährten sich schon wegen der kurzen Lebensdauer ihres hochempfindlichen Mechanismus keineswegs.''" | ||
+ | |||
+ | Der Aufsatz schließt mit den Worten: | ||
+ | |||
+ | "''Der Orgelbaufirma E.F. Walcker u. Cie. ist es gelungen, in der neuen Stadtsaalorgel wesentliche Erkenntnisse planvoll zu einer künstlerischen Einheit zusammenzufassen und auszuwerten. Bei dieser Orgel wurde tatsächlich das vielfach aufgestellte Postulat nach einem Werk auf dem Niveau unserer Zeit restlos erfüllt.''" | ||
Die Orgel wurde anfangs häufig für Unterrichtszwecke und Konzerte benutzt, verlor aber nach und nach mehr an Bedeutung, sodass sie '''20 Jahre''' lang nicht mehr bespielt wurde <ref>Ähnliches könnte auch mit der [[Innsbruck, Congress (Saal Tirol) | Orgel des Congress-Konzerthauses in Innsbruck]] passieren.</ref>. Im Jahr 2015 fiel die Entscheidung, die alten Stadtsäle durch das neue, moderne Haus der Musik zu ersetzen (ohne Einplanung der Orgel) und so wurde die durch das "Nichtbespielen" sehr zu Schaden gekommene Walckerorgel nach über einem Jahr Planung, Restauration und Standortsuche in die moderne Pfarrkirche von Ötztal-Bahnhof <ref name="Ötztal"></ref> transferiert, wo sie heute als Kirchenmusikinstrument weiterlebt. | Die Orgel wurde anfangs häufig für Unterrichtszwecke und Konzerte benutzt, verlor aber nach und nach mehr an Bedeutung, sodass sie '''20 Jahre''' lang nicht mehr bespielt wurde <ref>Ähnliches könnte auch mit der [[Innsbruck, Congress (Saal Tirol) | Orgel des Congress-Konzerthauses in Innsbruck]] passieren.</ref>. Im Jahr 2015 fiel die Entscheidung, die alten Stadtsäle durch das neue, moderne Haus der Musik zu ersetzen (ohne Einplanung der Orgel) und so wurde die durch das "Nichtbespielen" sehr zu Schaden gekommene Walckerorgel nach über einem Jahr Planung, Restauration und Standortsuche in die moderne Pfarrkirche von Ötztal-Bahnhof <ref name="Ötztal"></ref> transferiert, wo sie heute als Kirchenmusikinstrument weiterlebt. |
Version vom 3. März 2024, 06:45 Uhr
Adresse: A-6020 Innsbruck, Tirol, Österreich
Gebäude: Ehemalige Stadtsäle, großer Saal (abgerissen, heute Haus der Musik)
Alternativer Name: | Stadtsaalorgel |
Orgelbauer: | E.F. Walcker & Cie. (Ludwigsburg), op. 3340 |
Baujahr: | 1955 |
Geschichte der Orgel: | Nach der Zerstörung des alten Stadtsaales im Zweiten Weltkrieg (Bild 4, mit einer Rieger-Orgel mit 40 Registern) wurden neue Stadtsäle errichtet. Der größte von ihnen erhielt die "Stadtsaalorgel", die im Jahr 1955 durch den Orgelbauer E.F. Walcker erbaut wurde. Die Disposition entwarfen Prof. Alois Forer und Musikdirektor Kurt Rapf. Forer würdigte das Instrument ausführlich in einem Aufsatz in der Walcker Hausmitteilung:
"Dieses neue Werk ist nun tatsächlich in jeder Hinsicht ein richtungweisendes Instrument und ein Meilenstein auf dem weiteren Entwicklungsweg mechanischer Schleifladenorgeln auch in Österreich." Wenig überraschend verurteilt er das Zeitalter des romantischen Orgelbaus durch eine bewusste Polemik: "Die Orgel mußte die für sie ungünstige Geschmacksänderung mehr oder weniger mitmachen, sank zu einem Begleitinstrument herab, was in der Folge auch zu einem Verfall der Orgelbaukunst führte. Dazu kam noch, daß die Orgelbauer in ihrer Erfindungssucht nach Vervollkommnung immer neuer Arten von Trakturen und Ladensystemen die Weiterentwicklung der Mechanik und der Schleiflade vergaßen und der Industrialisierung Tür und Tor öffneten. (...) So wurde die Orgel durch die pneumatische und elektrische Bauweise und die Verwendung von Registerladen zu einer nicht stets vertrauenswürdigen Musikmaschine. In diesem System lag auch das Bestreben, nicht durch Güte der Register, sondern durch eine möglichst große Zahl der Stimmen zu glänzen, was zwangsläufig zum Bau der »kraftlos brüllenden Ungeheuer« führte, die Kirchen und Konzertsäle mit ihrem Tonbrei überfluteten. Diese überzüchteten Produkte einer gottlob flüchtigen Geschmacksverirrung, die weder klanglich entsprachen noch verläßlich waren und den Organisten höchstens zum geschickten Maschinisten erzogen, bewährten sich schon wegen der kurzen Lebensdauer ihres hochempfindlichen Mechanismus keineswegs." Der Aufsatz schließt mit den Worten: "Der Orgelbaufirma E.F. Walcker u. Cie. ist es gelungen, in der neuen Stadtsaalorgel wesentliche Erkenntnisse planvoll zu einer künstlerischen Einheit zusammenzufassen und auszuwerten. Bei dieser Orgel wurde tatsächlich das vielfach aufgestellte Postulat nach einem Werk auf dem Niveau unserer Zeit restlos erfüllt." Die Orgel wurde anfangs häufig für Unterrichtszwecke und Konzerte benutzt, verlor aber nach und nach mehr an Bedeutung, sodass sie 20 Jahre lang nicht mehr bespielt wurde [1]. Im Jahr 2015 fiel die Entscheidung, die alten Stadtsäle durch das neue, moderne Haus der Musik zu ersetzen (ohne Einplanung der Orgel) und so wurde die durch das "Nichtbespielen" sehr zu Schaden gekommene Walckerorgel nach über einem Jahr Planung, Restauration und Standortsuche in die moderne Pfarrkirche von Ötztal-Bahnhof [2] transferiert, wo sie heute als Kirchenmusikinstrument weiterlebt. |
Umbauten: | 1956 geringfügige Umdisponierung
2016 Umsetzung nach Ötztal-Bahnhof [2] |
Windladen: | Schleifladen |
Spieltraktur: | mechanisch |
Registertraktur: | elektrisch, 12 Volt |
Registeranzahl: | 46 |
Manuale: | 3, C-g3 |
Pedal: | C-f1 |
Spielhilfen, Koppeln: | II/I, II/P, I/P; 2 Freie Kombinationen; Feste Kombination: Tutti, Crescendowalze; Zugenabsteller |
Disposition
I Hauptwerk | II Oberwerk | III Brustwerk | Pedal |
Grossprinzipal 16'
Prinzipal 8' Weitprinzipal 8' Gedackt 8' Oktave 4' Blockflöte 4' Quinte 2 2/3' Superoktav 2' Mixtur 6-9fach 2 2/3' Scharff 5-7fach 1' Trompete 16' Trompete 8' Clairon 4' |
Lieblich Gedackt 16'
Italienisch-Prinzipal 8' Rohrflöte 8' Gemshorn 4' Nachthorn 4' Nasard 2 2/3' Spitzflöte 2' Terz 1 3/5' Mixtur 5-7fach 1 1/3' Scharff 4fach[3] Rohrschalmei 8'[4] |
Copel 8'
Weidenpfeife 8' Prästant 4' Rohrflöte 4' Oktavino 2' Larigot 1 1/3' Oktävlein 1' Cymbel 4fach 1/2' Krummhorn 8' |
Prinzipalbass 16'
Offenbass 16' Gedacktbass 16' Prinzipal 8' Spitzflöte 8' Oktav 4' Nachthorn 4' Rohrpfeife 2' Mixtur 5fach 2 2/3' Posaune 16' Trompete 8' Clarine 4' Singend Kornett 2' |
Bibliographie
Anmerkungen: |
Bemerkung: Das Konzept ist als extrem neobarock - antiromantisch zu bezeichnen: Vollständige Prinzipalpyramiden, Verzicht auf überblasende Flöten und Streicher, keine vollbechrigen Zungen in den Nebenwerken und die schier unglaubliche Zahl von 31 Mixturchören in den Manualwerken (eine ursprünglich vorhandene Oboe wurde nach nur einem Jahr sogar noch gegen eine weitere Mixtur (Scharff!) ausgetauscht). |
Literatur: | Alois Forer: Die neue Stadtsaalorgel in Innsbruck und ihre pBedeutung im Orgelbau unserer Zeit. In: Walcker Hausmitteilung Nr. 18 (Dezember 1954), S.21-27.
Walcker-Opusbuch No.41, via WA-BW |