Tübingen, St. Johannes Evangelist

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Rieger-Orgel in Tübingen
Orgel im Raum
St Johannes Tübingen (3).jpg
Tübingen, St. Johannes.jpg
Orgelbauer: Rieger Orgelbau (Schwarzach)
Baujahr: 1989–1990
Geschichte der Orgel: 1818 Als die Tübinger Katholiken das zur Konvikts- und Stadtpfarrkirche umgebaute ehemalige Ballhaus ziehen, wird zunächst ein „Zimmerörgelchen“ eines Tübinger Bürgers für die Bgeleitung der Gottesdienste zur Verfügung gestellt.

1820 Da das Örgelchen auf Dauer zu schwach ist, wird auf Bitten des Konviktsdirektors Sperl die im Wilhelmsstift eingelagerte und wohl über 100 Jahre alte Orgel des aufgelösten Dominikanerklosters in Mergentheim (II/21) durch den Bondorfer Orgelbauer Johannes Weinmar aufgestellt.

1838 Weinmar wird allerdings in diesem Zusammenhang eine „höchstens mittelmäßige Qualifikation“ bescheinigt, und die Verantwortlichen schlagen, auch wegen der „anderen unabänderlichen Gebrechen des Werkes“ eine Generalreparatur oder einen Neubau der „Ballhauskirchenorgel“ vor.

1840 In die engere Wahl für einen Neubau kommen die Firmen von Walcker, Johann Viktor Gruol jun., und Andreas Laukhuff. Nachdem man mit Gruols Orgel für die nach Mätzingen bei Urach gelieferte Orgel nicht zufrieden war, geht der Auftrag an Laukhuff, den „nach Walcker besten Orgelbauer des Landes“.

1844 Fertigstellung des Neubaus durch Laukhuff (II/17)

1878 Fertigstellung des Kirchenneubaus der Johanneskirche und Abbruch der Ballhauskirche. Die Laukhuff-Orgel wird nach Ergenzingen verkauft, wo sie offenbar noch bis 1966 in Gebrauch ist.

1879 Einbau einer neuen Orgel (II/25) durch Heinrich Conrad Branmann (Ulm) mit Kegelladen und mechanischer Traktur. Die von ihm gegebene „Garantie von 10 Jahren“ kann er jedoch nicht mehr einhalten, da er 1882 stirbt. Die Geschäfte überträgt er Gebr. Link in Giengen.

1889 Bei einer Reparatur durch Link, wobei das ganze Gebläse neu gemacht und an der Claviatur und dem Pfeifenwerk repariert werden musste tadelt der Chronist die „überhudelte und nicht solide Arbeit Branmanns“. Eine weitere Generalreparatur erfolgt 1896.

1917 Abgabe der Prospektpfeifen; in den 20er Jahren wird auch ein elektrisches Gebläse eingebaut.

1960 Der Renovierung und „Modernisierung“ der Johanneskirche fällt die gesamte neugotische Einrichtung und das im gleichen Stil gehaltene Orgelgehäuse Branmanns zum Opfer. Aufgrund des gewandelten musikalischen Stilideals entschließt man sich auch, die Branmann-Orgel durch einen Neubau zu ersetzen.

1962 Neubau einer dreimanuligen Orgel durch Gebr. Späth im neobarocken Stil. Dieser Orgel ist jedoch kein Glück beschieden, es zeigen sich alsbald grobe technische Mängel, und die ungünstig angelegte Warmluftheizung der Kirche mit starken Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen führt bald zu undichten Ventilen und gerissenen Windladen. Zwischenzeitlich wird als Ersatzinstrument eine Elektronenorgel verwendet.

1983-86 Nach zwei Ausschreibungen und Beratungen über die Reparaturfähigkeit der Späth-Orgel wird der Auftrag für einen Neubau an Fa. Rieger vergeben. Die Konzeption entwirft Jan Janca (1933–2023, Kantor und Organist an St. Johannes von 1962–1996).

1989–90 Neubau der Orgel. Die universal angelegte Disposition entwerfen Wolfram Rehfeldt (Rottenburg), Jan Janca (Organist der Johanneskirche seit 1971) und Christoph Glatter-Götz (Rieger). Die Intonation erfolgt durch Klaus Knoth (Fa. Rieger).

1994 Die Späth-Orgel wird an die Pfarrkirche Nuestra Señora de la Mercedes de Roja in El Médano (Teneriffa) gespendet, wo sie durch Orgelbau Schmid wieder aufgebaut wird.

2011 Renovierung, Umintonation, u.a. Einbau eines Registers im Schwellwerk und Austausch der Zungenregister Trompete 8' im HW und Hautbois 8' im SW

Umbauten: 2011 Umbau, u.a. Erweiterung um Bourdon 16' im SW sowie Austausch der Zungenregister Trompete 8' im HW und Hautbois 8' im SW
Gehäuse: moderner Werkprospekt mit teilweise goldlackierten Pfeifen nach einem Entwurf von Raimund Glatter-Götz
Windladen: Schleifladen
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: elektrisch
Registeranzahl: 40 (seit 2011; ursprüglich 39)
Manuale: 3 C–a3
Pedal: C–f1
Spielhilfen, Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P; Setzer 8 x 16 gen., 6 indiv. Sequenzer, Tutti, Positiv ebenfalls schwellbar



Disposition[1]

I Hauptwerk II Schwellpositiv III Schwellwerk Pedal
Gedeckt 16'

Principal 8' [2]

Flûte harmonique 8'

Spitzflöte 8'

Octav 4'

Nachthorn 4'

Superoctave 2'

Mixtur 4f 11/3'

Trompete 8'

Tremulant

Holzgedeckt 8' [3]

Principal 4'

Rohrflöte 4'

Sesquialtera 2f 22/3'

Gemshorn 2'

Larigot 11/3'

Scharff 3f 1'

Cromorne 8'

Tremulant

Bourdon 16' [4]

Koppelflöte 8'

Salicional 8'

Vox coelestis 8'

Principal 4'

Traversflöte 4'

Nazard 22/3'

Hohlflöte 2'

Terzflöte 13/5'

Sifflet 1'

Plein Jeu 5f 2'

Fagott 16'

Trompette
harmonique 8'

Hautbois 8'

Clairon 4'

Tremulant

Principalbaß 16' [5][2]

Subbaß 16' [6]

Octavbaß 8'

Gedecktbaß 8'

Choralbaß 4'

Hintersatz 4f 22/3'

Posaune 16'

Baßtrompete 8'


Anmerkung:

  1. sofern nicht anders angegeben, alle Register aus 25–75% Zinn
  2. 2,0 2,1 teilweise im Prospekt
  3. Eiche/Birne
  4. 2011 neu
  5. 75% Zinn/Fichte
  6. Eiche/Fichte

Die Späth-Orgel 1962–1989

Orgelbeschreibung

Orgelbauer: Freiburger Orgelbau August Späth
Baujahr: 1962 • op. 739
Geschichte der Orgel: Die Orgel wurde aufgrund technischer Unzulänglichkeiten abgebaut, eingelagert und schließlich an die Pfarrkirche von El Medano (Teneriffa) verschenkt, wo sie 1994 aufgestellt und 2016 durch Alberto Blancafort restauriert wurde (u.a. Termitenbefall).

Initiator des Orgelprojektes war der langjährige Diözesanmusikdirektor von Rottenburg-Stuttgart, Josef Fleschhut (1942–2016), der seit seinem Ruhestand auf Teneriffa seit Jahren als Organist wirkte, als er sich erinnerte, dass während seiner Amtszeit in der Diözese die Tübinger Späth-Orgel eingelagert worden war. Bereits 1993 hatte er dafür gesorgt, dass die Pfarrkirche von Los Cristianos eine elektronische Johannus-Orgel von der Diözese Rottenburg geschenkt bekam.

Das Instrument ist nach der Blancafort-Konzertorgel im Auditorio de Tenerife in Santa Cruz die zweitgrößte Pfeifenorgel auf den kanarischen Inseln.

Gehäuse: Freipfeifenprospekt, im Pedal mit Kupferpfeifen
Windladen: Schleifladen
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: elektrisch
Registeranzahl: 35
Manuale: 3 C–g3
Pedal: C–f1
Spielhilfen, Koppeln: Koppeln II/I, III/I, III/II, I/P, II/ P, III/P;

Handregister; 2 freie Kombinationen, 2 freie Pedalkombinationen; Tutti, Zungeneinzelabsteller, Crescendo



Disposition[1]

I Hauptwerk II Positiv III Schwellwerk[2] Pedal
Pommer 16'

Prinzipal 8'

Spitzgedackt 8'

Oktave 4'

Rohrquintade 4'

Quinte 22/3'

Schwiegel 2'

Mixtur 5-6f 11/3'

Trompete 8'

Gedackt 8'

Blockflöte 4'

Prinzipal 2'

Sifflöte 11/3'

Nachthorn 1'

Zimbel 3f 1/2'

Vox humana 8'

Schalmey 4'

Tremulant

Koppelflöte 8'

Spitzgamba 8'

Prinzipal 4'

Rohrflöte 4'

Gemsquinte 22/3'

Hohlflöte 2'

Terzflöte 13/5'

Septim 11/7'

Mixtur 3-4f 2'

Oboe 8'

Prinzipalbaß 16'

Subbaß 16'

Oktavbaß 8'

Gemshorn 8'

Spillpfeife 4'

Rauschbass 4f 4'

Posaune 16'

Clairon 4'


Anmerkungen
  1. nach dem Aufbau in El Medano
  2. als Brustwerk mit Glasjalousien

Die Branmann-Orgel 1878–1962

Orgelbeschreibung

St. Johannes um 1920
Historisches Foto der Johanneskirche in Tübingen.JPG
Orgelbauer: Heinrich Conrad Branmann (Ulm)
Baujahr: 1878
Geschichte der Orgel: s.o. (diverse Reparaturen durch Branmanns Nachfolger Gebr. Link, Abbruch 1962)
Umbauten: 1917 Abgabe der Prospektpfeifen, späterer Einbau Gebläse
Windladen: Kegelladen
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: mechanisch
Registeranzahl: 25
Manuale: 2 C–f3
Pedal: C–d1
Spielhilfen, Koppeln: Normal-Koppeln



Disposition

I. Manual II. Manual Pedal
Bourdon 16'

Principal 8'

Viola di Gamba 8'

Doppelflöte 8'

Gedackt 8'

Gemshorn 8'

Fugara 8'

Octave 4'

Dolce 4'

Rohrflöte 4'

Octave 2'

Mixtur 3-4f 22/3

Trompete 8‘

Lieblich Gedeckt 16'

Principal 8'

Gamba 8'

Konzertflöte 8'

Bourdon 8'

Aeoline 8'

Vox coelestis 8'

Fugara 4‘

Traversflöte 4'

Flautino 2‘

Cornett 3-5f 8'

Oboe 8'

Principalbass 16'

Contrabass 16'

Subbass 16'

Flötenbass 8'

Posaune 16'


Verweise

Bibliographie

Anmerkungen: Die Kantoren an St. Johannes seit 1962 waren Jan Janca (1962–1996, † 2023), Jürgen Maag (1997–2014) und Wilfried Rombach (seit 2014).
Literatur: Angaben: Die neue Orgel von St. Johannes. Festschrift zur Orgelweihe und zum Abschluß der Kirchenrenovation. Kirchengemeinde St. Johannes, Tübingen (1990)

Zum Tode Jan Jancas: Konrad Klek: Eine denkwürdige Bestattung. Ein persönlicher Erlebnisbericht. In: Württembergische Blätter für Kirchennusik 2/2024, S. 18–19

Discographie: Bernhard Kugler: Orgel und Trompete, Motette Ursina CD 20251

Ludger Lohmann: Jan Janca, Orgelwerke (2002), Dabringhaus und Grimm 2002 Verl. Nr. MDG 606 1104-2

Weblinks: Homepage der Kirchgemeinde

Wikipedia

Beschreibung bei Rieger Orgelbau

Eintrag auf orgbase.nl

Bericht über die nach Teneriffa versetzte und renovierte Späth-Orgel

Traueranzeige und Nachruf für Josef Fleschhut

Nachruf für Jan Janca auf den Facebook-Seiten der Johanneskantorei Tübingen (Dezember 2023)


Videos

Jan Janca 90 – im Gespräch mit Prof. Dr. Ludger Lohmann und Michael Grüber – ORGANpromotion: