Stuttgart, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. September 2020, 22:36 Uhr
Adresse: Berliner Platz, 70174 Stuttgart, Baden Württemberg, Deutschland
Gebäude: Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Beethoven-Saal
Orgelbauer: | Friedrich Weigle Orgelbau, Echterdingen, op. 1010 |
Baujahr: | 1956 |
Geschichte der Orgel: | Die Disposition entwarfen KMD Helmut Bornefeld, Heidenheim/Brenz und Prof. Anton Nowakowski, Stuttgart. Die Mensuren berechnete KMD Helmut Bornefeld, Heidenheim/Brenz. Die Intonation wurde unter Anweisung von KMD Helmut Bornefeld, Heidenheim/Brenz, durchgeführt.
Die Orgel im Großen Saal der neuen Liederhalle Stuttgart
Auch beim Klangaufbau, der sog. Disposition, wurde vorausgesetzt, daß das Instrument allen Anforderungen gewachsen sein müsse, die an die Orgel als Solo- und Begleitinstrument in der Literatur von einst und jetzt gestellt werden. Es galt also, eine Disposition zu finden, die bei der gegebenen Größe des Raums diesen Aufgaben mit dem für die Orgel verfügbaren Platz und Geld entsprach. Von den verschiedenen Ladensystemen wurde dasjenige der Schleifenwindlade gewählt, da es anerkannterweise die höchste Tonqualität der klingenden Pfeife gewährleistet. Wenn damit betr. des Ladensystems auf eine uralte Tradition des Orgelbaus zurückgegriffen wurde, so hat man sich bei der Traktur - d. h. der Verbindung von der Taste zum Tonventil - für die moderne elektrische und nicht für die historische mechanische Ausführung entschieden. Wohl wäre die mechanische Traktur spieltechnisch vorzuziehen, aber sie erfordert einen feststehenden Spieltisch in möglichster Nähe zum Orgelwerk. Der moderne elektrische Spieltisch ist demgegenüber verschieb- und versenkbar und war damit bei der Mehrzweckeverwendung des Saales und der Orgel das Gegebene. Es ist ein jahrhundertealter Grundgedanke der Orgel, die Pfeifenreihen in Gruppen, den sog. „Werken“ zu ordnen, um die Stimmen je nach den musikalischen Erfordernissen gegeneinander ausspielen oder miteinander vereinigen zu können. Die Liederhallenorgel hat folgende Werke:das erste Manual ist Hauptwerk (HW) mit einer Pleno- und einer Sololade; das zweite Manual ist Seitenwerk (SW) mit einer Unter- und einer Oberlade; das dritte Manual ist Oberwerk (OW) in einem Schwellkasten über den kleineren Pedal- und Hauptwerkspfeifen; das Pedal hat eine (aufgeteilte) Haupt- und eine Sololade. Unsere Abbildung veranschaulicht die Anlage des ganzen Orgelwerkes mit Laden, Windkanälen und Regulatoren. Die Laden des Hauptwerks, des Seitenwerks und des Pedals können getrennt eingestellt werden, so daß die Orgel bei nur 3 Manualen praktisch über 5 Manual- und 2 Pedalwerke verfügt. Die Disposition hat im einzelnen folgende Gestalt: Im Vergleich zum klassischen Orgelbau liegt dieser Disposition etwa folgende Absicht zugrunde: Das Pedal hat hier wie dort die Aufgabe, das ganze Orgelwerk zu unterbauen. Da die meisten Pedale jedoch nicht genügend fundamentieren, wurde hier auf den Ausbau der tiefen Teiltöne zum 32' (102/3', 62/5', 51/3') besonderer Wert gelegt. Auf der Sololade des Pedals ist alles zusammengefaßt, was für höhere c. f.-Führungen erforderlich ist. Das Hauptwerk hat ein reiches Prinzipal- und Zungenpleno, während der Weitchor auf wenige, aber charakteristische Stimmen beschränkt ist. Beim Seitenwerk entspricht die Unterlade etwa dem klassischen „Rückpositiv“, während die Oberlade eine Art „Brustwerk“ darstellt. Beide Laden zusammen enthalten einen kompletten Prinzipalchor. Der besondere Farbenreichtum ergibt sich daraus, daß – da auf einem Manual stehend – die Grundregister jeder Lade mit den Obertönen auch des anderen Werkes gemischt werden können. Im Oberwerk, dem mehr „expressiven“ Teil der Orgel, ist der Prinzipalchor etwas dünner als auf den andern Werken, hingegen ist der Weitchor bis zum 8/9' lückenlos durchgebaut. Neben seinen c.f.- und Begleitmöglichkeiten hat dieses Werk vor allem die Aufgabe, Hintergrund und Rahmen für die Soli der andern Werke zu schaffen. Die Gesamtzahl von 6021 Pfeifen ist bei dieser Orgel im Verhältnis zur Registerzahl ziemlich hoch, was vor allem von den reichbesetzten gemischten Stimmen herrührt. Bei der für diesen Raum relativ kleinen Orgel war das der einzige Weg, dem Werk die erforderliche Plenokraft zu geben. Die Mixturchöre des Pedals sind ohne Repetition gebaut. Die Mixtur I des HW (26) ist auf 16' bezogen und repetiert auf c3 in den 16'. Die Mixtur II (27) gehört zum 8' und erreicht auf c3 den 51/3'. Die Oktavzimbel (37) mündet nach siebenmaliger Repetition auf f3 in 4' 4' 2'. Die Grobmixtur des SW (48) enthält Terz- und Septimenchöre und repetiert auf d3 in den 102/3', der Scharf derselben Lade (51) steht bei c3 auf 51/3' 4' 22/3' 2'. Die Quintzimbel (65) erreicht auf e2 nach siebenmaliger Repetition 4' 22/3' 2'. Die Mixtur des OW (79) ähnelt der Mixtur II des HW, ist aber weiter mensuriert. Sie repetiert auf cis3 in den 8'. Die Schreipfeife (82) umfaßt in der Diskantlage 11/3' 11/7', 8/9' in weiter Bauweise. Das Nonenkornett (83) ist eine Zusammenfassung der Register 70, 75, 77, 78, 81 und 82. Der Spieltisch der Orgel hat drei Manuale mit dem Umfang C–c4 und ein Pedal mit dem Umfang C-f1. Die Wippen der Register und die Tästchen der 4 freien Kombinationen sind alle mit der linken Hand greifbar. Auf der rechten Seite befinden sich Schwellanzeiger, Walzenanzeiger, Lichtfenster, die Koppeln zu den freien Kombinationen (in Wechselwirkung mit Pistons), Zungenabsteller, Voltmeter, Gebläse- und Beleuchtungsschalter. Mit dieser Anordnung ist erreicht, daß das optische Bild des Spieltischs in jedem Fall dem jeweiligen Klangbild konsequent entspricht. Unter dem ersten Manual sind außer den Drückern für die freien Kombinationen und die zwei freien Pedalkombinationen noch 10 Gruppenzüge für verschiedene Plenostufen angebracht, Auch die Normalkoppeln und die Pedalkombinationen stehen als Pistons in Wechselwirkung mit den entsprechenden Wippen und Drückern. Der Grundgedanke für die Anlage des Spieltischs war, in möglichst übersichtlicher und einfacher Anordnung ein Höchstmaß an Auswertbarkeit des Klangmaterials zu erzielen. Das Wesen dieser Orgel läßt sich wohl am besten mit dem Wort „Konzentration“ umschreiben: es wurde alles Überflüssige und Entbehrliche weggelassen, um dem Gebauten mit den verfügbaren Mitteln in Material, Konstruktion und Klang die bestmögliche Qualität geben zu können. Der alle Beteiligten beseelende Wunsch war der, ein Werk zu schaffen, das des hohen Zweckes würdig sein möge, den es an so repräsentativer Stelle für das Musikleben Stuttgarts zu erfüllen hat.
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Stimmtonhöhe: | a¹ = 440 Hz |
Temperatur (Stimmung): | gleichstufig |
Windladen: | Schleifladen |
Spieltraktur: | elektrisch |
Registertraktur: | elektrisch |
Registeranzahl: | 67 Register, 1 Gruppenzug |
Manuale: | 3 Manuale, Tonumfang: C-c4 |
Pedal: | Tonumfang: C-f¹ |
Spielhilfen, Koppeln: | 6 Normalkoppeln
4 freie Kombinationen 2 freie Pedalkombinationen, Autom. Pedal 10 Gruppenzüge für Plenostufen Crescendo-Walze Ladenabschaltungen siehe Dispositionstabelle |
Disposition laut Spieltisch
Hauptwerk (I) | Seitenwerk (II) | Oberwerk (SW) (III) | Pedalwerk |
P Prinzipal 16'
P Oktave 8' S Rohrflöte 8' P Oktave 4' S Nachthorn 4' P Italienisch Prinzipal 2' S Großsesquialter II 5 1/3' S Rauschpfeife II 4'+2 2/3' P Mixtur 1 IV-VI 2 2/3' P Mixtur 2 III-V 1 1/3' S Oktavzimbel III 1/2' S Trompete 16' S Trompete 8' S Trompete 4'
Sololade ab
S=Sololade |
O Holzflöte 8'
U Stillgedackt 8' U Quintade 8' U Prinzipal 4' O Weitgedackt 4' U Rohrquintade 4' O Rohrnasat 2 2/3' O Prinzipal 2' U Koppelflöte 2' O Schweizerquinte 1 1/3' O Blockflöte 1' U Tertian II 1 1/3'+4/5' U Siebenquart II 1 1/7'+16/19' U Grobmixtur V-VIII 2' U Scharf IV 1' O Quintzimbel III 1/3' U Sordun 16' U Trompete 8' O Trichterregal 8' O Schalmei 4'
Oberlade ab
O=Oberlade |
Gedacktpommer 16'
Prinzipal 8' Gemshorn 8' N Grobgedackt 8' Salizional 8' Schwebung 8' Italienisch Prinzipal 4' N Rohrflöte 4' Hohlflöte 2' Nonenkornett 8'[1] N Sesquialter II 2 2/3' +1 3/5' N Quarte II 1 1/3'+1' Mixtur IV-VI 1' N Schreipfeife III 1' [2] Musette 16' Feldtrompete 8' Oboe 8' N Vox humana 8'
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H Prinzipal 32'
H Holzprinzipal 16' H Untersatz 16' H Oktavbass 8' H Gedacktbass 8' S Waldflöte 4' H Baßzink II 10 2/3'+6 2/5' H Hintersatz IV 5 1/3' S Choralbass III 4' S Glöckleinton II 2'+1' H Posaune 16' H Dulzian 16' S Kopftrompete 8' S Clairon 4' S Kornett 2'
Sololade ab
S=Sololade |
- Anmerkungen
Bibliographie
Literatur: | Orgelbau Friedrich Weigle (Hrsg.): Die Orgel im Großen Saal der Neuen Liederhalle Stuttgart
Musik und Kirche 1/1957, S. 63 |
Discographie: | Meisterwerke der Orgelmusik: Bach, Buxtehude, Reger. Martin Günther Förstemann. Philips 838 700 AY, LP, discogs.com
Max Reger - Orgelwerke. Martin Günther Förstemann. Philips 838 705 AY, LP, discogs.com |
Weblinks: | Website der Liederhalle
Zeitungsartikel mit Erwähnung der Orgel: Nur einmal im Jahr sprudelt’s im Beethovensaal |
Die Orgel der 1944 zerstörten alten Liederhalle, die an derselben Stelle stand
Orgelbeschreibung
Orgelbauer: | Friedrich Weigle, Echterdingen |
Baujahr: | 1893 |
Geschichte der Orgel: | 20 Jahre nach der Einweihung der Liederhalle wurde die große Konzertorgel des in Echterdingen firmierenden Orgelbaubetriebes Carl Gottlieb Weigle im Saal eingebaut. Der Sohn des Firmenbegründers, Friedrich Weigle, sorgte für die Erstellung des 54 Register umfassenden Werks.
Weigle baute die zu dieser Zeit sehr modernen und von ihm patentierten Hochdruck-Register "mit außerordentlich präciser Ansprache und schöner Klangfarbe" auf 150-200 mm Winddruck ein, wobei den 3 HD-Zungenregistern eine "Tonkraft von 30 gewöhnlichen Registern" und den HD-Labialregistern "eine Tonkraft von 35 gewöhnlichen Registern" zugeschrieben wurden, wobei jedes HD Register "eine 6-8 fache Tonkraft" gegenüber den üblichen Registern erreichen würde. So rechnete man sich einschl. der (Sub-)Oktavkoppeln und Hochdruckregister eine "Gesamt-Tonkraft von 140 Registern" aus [2]. Geplant war auch ein Fernwerk (als IV. Manual), das jedoch nicht gebaut wurde. |
Windladen: | Membranladen |
Spieltraktur: | pneumatisch |
Registertraktur: | pneumatisch |
Registeranzahl: | 54 Register |
Manuale: | 3 C-g3 |
Pedal: | C-f1 |
Spielhilfen, Koppeln: | Koppeln II/I, III/I, III/II, Ober I, Unter I, I/P, II/P, III/P, Totalkopplung
Feste Kombinationen: Pedal p. mf. f. ff.[1] - I. Man. p. mf. f. ff. T.[2] - II. Man. p. mf. f. ff. - III. Man. p. mf. f. ff. - außerdem für alle Manuale u. Pedal u. Kopplungen zugleich: p. mf. f. ff. T. Flötenchor, Principalchor, Geigenchor, Trompetenchor. Freie Kombinationen: 8 absolut freie Combinationen. Handregister ab. Electrischer Gebläseantrieb. Jalousieschweller für III. Manual. Vorbereiteter Jalousieschweller IV. Manual. |
Disposition
I. Manual | II. Manual[3] | III. Manual | Pedalwerk |
Principal 16'
Lieblichgedeckt 16' H. D. Stentorphon 8' Principal 8' H. D. Großgedeckt 8' Bourdon 8' Flûte octaviante 8' Gemshorn 8' Viola di Gamba 8' Octave 4' Rohrflöte 4' Fugara 4' Quint 2 2/3' Octave 2' Mixtur IV-VI 4' H. D. Tuba mirabilis 8' |
Bourdon 16'
Geigenprincipal 8' Gedeckt 8' Salicional 8' H. D. Solo-Gambe 8' H. D. Solo-Flöte 8' Wienerflöte 8' Geigenprincipal 4' Konzertflöte 4' Piccolo 2' Kornett IV-V 8' Klarinette 8' |
Salicional 16'
Principalflöte 8' Lieblichgedeckt 8' Fugara 8' Viola 8' Aeoline 8' Dolce 8' Voix céleste 8' Violine 4' Traversflöte 4' Progr. Harmon. III 4' H. D. Cor anglais 8' Oboë 8' |
Principalbaß 32'
Principalbaß 16' Violonbaß 16' Harmonikabaß 16' H. D. Subbaß 16' Gedecktbaß 16' Octavbaß 8' Flötenbaß 8' Violoncello 8' H. D. Baßtuba 16' Trompete 8' Bassethorn 8' Clairon 4' |
Anmerkungen
Bibliographie
Anmerkungen: | Die alte Liederhalle wurde in den Jahren 1863–1864 auf Initiative des bereits 1824 gegründeten Stuttgarter Liederkranzes als Gesellschaftshaus erbaut. Die Einweihung des Einzelbauwerks erfolgte am 11. Dezember 1864, es wurde zehn Jahre später um den ob seiner Akustik vielgerühmten Großen Saal erweitert. Zuletzt umfasste die Liederhalle 14 Säle. Die Pläne für den Bau gingen auf den Architekten Christian Friedrich von Leins zurück, der zuvor allein in Stuttgart die Villa Berg (Sommersitz des württembergischen Kronprinzen Karl und seiner Gattin), den Königsbau, der als höfisches Festsaalsgebäude diente, und später die evangelische Johanneskirche am/im Feuersee (Stadtteil Stuttgart-West) aus der Taufe gehoben hatte. Der 1320 Quadratmeter messende Große Saal wurde als „Fachwerk-Massivhaus mit Galerien“ konzipiert. Bis zu 2500 Menschen konnten sich darin aufhalten. Nach dem Jahrzehntwechsel wurde der Eingangsbereich im Jugendstil modernisiert. In den Kriegsjahren 1943–1944 wurde die Halle (und damit wohl auch die Orgel) so erheblich zerstört, dass danach lediglich noch zwei Säle funktionsfähig waren. Ab 1946 fand dann keine Nutzung mehr statt.[3] |
Literatur: | [1] Emile Rupp, Entwicklungsgeschichte des Orgelbaus, S. 179
[2] Werbeblatt der Fa. Weigle, ca. 1930 |
Weblinks: | Zeitungsartikel zur Liederhalle |