Rühstädt, Dorfkirche

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Wagner-Orgel in Rühstädt
Orgel im Raum
Spielschrank
Manubrien
Orgelbauer: Joachim Wagner (Berlin)
Baujahr: 1738
Geschichte der Orgel: 1844 Umbau / Dispositionsänderung / Erweiterung um ein Pedal (2 Register) durch Friedrich Turley (Treuenbrietzen)

1888/89 Abbau wegen Kirchenumbau, umfassende Renovierung durch Friedrich Hermann Lütkemüller (Wittstock), Dispositionsänderung (u.a. Quintadena 8'), Neubau eines Pedals, der Balg- und Kanalanlage

1917 Kriegskonfiszierung der Zinn-Prospektpfeifen (Ausbau durch Rudolf Piper, Wittenberge), 1932 Ersatz durch Zink-Pfeifen (Martin Pflug (Wittenberge)

1988 Spielbarmachung anläßlich des 250. Geburtstages durch VEB Orgelbau Schuke (Potsdam)

2003–2005 Restaurierung auf den ursprünglichen Zustand durch Orgelbau Waltershausen GmbH, u.a. neuer Zinn-Prospekt (Principal 4')

Gehäuse: 1738
Stimmtonhöhe: a1 = 465 Hz bei 15 °C (1/2 Ton über normal)
Temperatur (Stimmung): Neidhardt III
Windladen: Schleifladen
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: mechanisch
Registeranzahl: 10
Manuale: C D - c3
Pedal: C D - c1
Spielhilfen, Koppeln: Pedalkoppel





Disposition

Manual Pedal
Gedackt 8' [1]

Principal 4' [2]

RohrFlöt 4' [3]

Nassat 3' [4]

Octav 2' [5]

Quint 11/2' [6][7]

Cornet 3 fach [3]

Mixtur 4 fach [6]

Subbaß 16' [6]

Possaun 8' [6]


Anmerkungen (Quelle: NOMINE)

  1. c1-c3 original, Holz: rekonstruiert
  2. sichtbare Pfeifen komplett rekonstruiert, Innenpfeifen original, g2-h2 neu
  3. 3,0 3,1 original
  4. original, e2, h2 rekonstruiert
  5. original, c3 rekonstruiert
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 rekonstruiert
  7. Mensur wie Octav 2'




Bibliographie

Anmerkungen: Sichtung Juni 2018

Zur Geschichte der Orgel:
Dr. Uwe Czubatynski: „Auf CD gebannt: Der Klang der Rühstädter Wagner-Orgel“
(Auszug; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers):

Langsam, aber sicher sollte es sich herumgesprochen haben: Das Dorf Rühstädt ist nicht nur wegen seiner vielen Störche eine Reise wert. Der Ort verfügt auch, wie viele an Elbe und Havel gelegene Dörfer, über eine sehenswerte Backsteinkirche. Errichtet wurde sie unter dem Patronat der Familie von Quitzow in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Mit der halbrunden Apsis griff man dabei auf noch viel ältere Stilelemente zurück, die an die Zeit der Romanik erinnern. Nirgendwo sonst (abgesehen von Kletzke) kann man anhand der kostbaren Grabdenkmäler die berühmt-berüchtigte Familiengeschichte der Quitzows so eingehend studieren wie hier.

Im 18. Jahrhundert wechselten nach dem Aussterben der Quitzows die Besitzer des Gutes. Der in der preußischen Geschichte bekannte Generalfeldmarschall von Grumbkow ließ die Kirche eingreifend umgestalten und fügte einen Turm hinzu. Seine Frau stiftete 1738 eine dem Raum angemessene Orgel. Mit dem Bau beauftragt wurde der längst berühmt gewordene Orgelbauer Joachim Wagner in Berlin. Das Innere der Rühstädter Kirche wurde im 19. Jahrhundert nochmals umgebaut, nun unter Regie der Familie von Jagow. Auch sie hat im Kirchenraum Denkmäler von hohem Kunstwert hinterlassen. Die Orgel erfuhr ebenfalls mancherlei Veränderungen, die durch den Wittstocker Orgelbauer Lütkemüller vorgenommen wurden. Das mit großer Sorgfalt konstruierte Pfeifenwerk schonte er dabei aber weitgehend, sodass das Instrument in seiner Grundsubstanz immer noch eine Wagner-Orgel blieb.

Am Ort selbst geriet dieser Ursprung jedoch weitestgehend in Vergessenheit, zumal keinerlei Akten mehr aus der Erbauungszeit existieren. Gegen Ende der DDR-Zeit befand sich die Orgel in einem beklagenswerten Zustand. Das aufwendig gestaltete Gehäuse war in den zurückliegenden Jahrzehnten mit einem trostlosen Anstrich in Ölfarbe versehen worden. Das Wappen der Stifterin war vollkommen vom Wurm zerfressen, der Spielschrank wurde durch unförmige Elektroinstallationen entstellt. 1984 gelang es immerhin einigen Fachleuten, das Werk durch stilistische Vergleiche dem Orgelbauer Wagner zuzuschreiben. Eine Restaurierung ließ freilich auf sich warten, sodass weiterhin ein unglaublich lautes und polterndes Gebläse die Orgel mit dem nötigen Wind versorgte.

Erst nach einer umfassenden Instandsetzung der Kirche konnte die überfällige Wiederherstellung der Orgel in Angriff genommen werden. Nach sorgfältigen Überlegungen wurde das Instrument mit seinen 10 Registern und auch das Gehäuse so weit wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. 2005 wurde dieses für eine dörfliche Kirchengemeinde große Vorhaben erfolgreich abgeschlossen. Möglich wurde es nur durch zahlreiche kirchliche, staatliche und private Förderer. Vergleichbare Instrumente von Joachim Wagner befinden sich heute noch in den Kirchen von Sternhagen, Pritzerbe, Schönwalde bei Nauen, Bötzow, Wartin, Felchow und Flemsdorf.

Literatur: Uwe Czubatynski: Geschichte und Restaurierung der Wagner-Orgel in Rühstädt. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz 6 (2006), Online (PDF; 2,6 MB)

Uwe Pape: Norddeutsche Orgelbauer und ihre Werke, Band 1: Friedrich Hermann Lütkemüller. Pape Verlag, Berlin 1999, S. 246 249/50

Schwarz/Pape: 500 Jahre Orgeln in Berliner Evangelischen Kirchen. Pape-Verlag, Berlin 1991, S. 487

Elke Lang: Barocke Pracht und schlichte Schönheit - Orgeln in Brandenburg. Berlin 2014, S. 82-83

Discographie: Die Joachim-Wagner-Orgel in Rühstädt – Eine musikalische Reise mit Oana Maria Bran und Dietrich Kollmannsperger. Werke von J.S. Bach, M.G. Fischer, G. Frescobaldi, J.B. Peyer, C. Seixas, S. Scheidt. Eigenverlag, 2022, CD, Inhalt, erhältlich über die Kirchengemeinde
Weblinks: Homepage der Kirchgemeinde

Wikipedia-Kirchbeschreibung

ausführliche Beschreibung und Fotoserie auf nomine.net

Eintrag auf orgbase.nl

Kirchenbeschreibung auf Dorfkirchen in Brandenburg

Artikel: Auf CD gebannt: Der Klang der Rühstädter Wagner-Orgel


Videos

M.G. Fischer: Wie schön leucht' uns der Morgenstern – Dietrich Kollmannsperger:

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