Lübbenau, St. Nikolai
Adresse: 4, Kirchplatz, Stottoff, Lübbenau/Spreewald, Oberspreewald-Lausitz, Brandenburg, 03222, Deutschland
Gebäude: Lübbenau, St. Nikolai, Evangelisch-Lutherische Kirche
Orgelbauer: | VEB Jehmlich Orgelbau Dresden, op.1036 |
Baujahr: | 1984 |
Geschichte der Orgel: | An der Stelle der heutigen Nikolaikirche befand sich bereits eine Kirche, deren Bauzeit nicht bekannt ist. 1663 erhielt die alte Kirche eine neue Orgel, deren Erbauer Christian Schechner (1689-?) aus Senftenberg war. 1736 wurde die Kirche wegen Baufälligkeit gesperrt und später abgerissen. Der Grund war vermutlich der sumpfige Untergrund. Von 1738 bis 1741 entstand ein neues barockes Kirchgebäude nach Plänen von Johann Gottfried Findeisen (1692-1759) aus Dresden. In diese Kirche baute Johann Jacob Köpler (vor 1700 - nach 1764) aus Sorau (heute Zarý, Polen) eine neue Orgel. Das Werk wurde am 1.Dezember 1741 fertiggestellt. Die Orgel besaß 17 Registern auf einem Manual. Der Orgelprospekt ist noch erhalten. Im Jahr 1800 reparierte Carl Gotthold Claunigk die Orgel, stimmte sie um ½ Ton höher (vermutlich 1741 im Kammerton gestimmt) und ersetzte die zwei oberen Oktaven des Registers Vox humana 8‘ durch „eine Art Flötenstimme“ (Spitzflöte 8‘) und baute ein II. Manual mit 10 Registern. Die Orgel besaß danach 28 Register auf 2 Manualen und Pedal. 1880 erfolgte ein Orgelumbau durch die Breslauer Orgelbaufirma Schlag & Söhne mit 23 Registern auf 2 Manualen und Pedal. Über diesen Umbau fehlen Archivalien, insbesondere darüber, welche Register wiederverwendet wurden. Aus den Akten von 1914 ging hervor, dass die Orgel damals Hängeventilladen erhielt. Die Traktur war mechanisch. Die Disposition ist ein typisches Beispiel für eine Orgel des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der Klanggeschmack hatte sich gewandelt. Es überwiegen die grundtönigen Stimmen. 1886 wurde die Kirche neu ausgemalt. Das Orgelgehäuse erhielt eine neue farbige Fassung. Die Arbeiten führte der Maler C. Lehmann aus Berlin aus.
Seit 1913 gab es Bestrebungen zur Umgestaltung der Orgel. Der Orgelbauer Gustav Heinze (1874-1949) aus Sorau erhielt dazu den Auftrag. Der Abbruch der alten Orgel begann am 8. Juni 1914. Am 19. August 1914 kam Prof. Bernhard Irrgang (1869-1916), Orgelsachverständiger aus Berlin, um das fertig umgebaute Werk abzunehmen. Die erstaunlich kurze Umbauzeit erklärt sich damit, daß Gustav Heinze fast das gesamte alte Pfeifenwerk übernahm, einschließlich der Oberteile der Hängeventilladen. Die Windladen erhielten einen neuen Unterbau (Kegelladen mit einschlagenden Kegeln). Die Windladenteile waren sicher wie die pneumatische Traktur schon vorgefertigt und brauchten nur eingebaut zu werden. Klanglich wird sich die Orgel nicht wesentlich geändert haben, denn nur 3 Register wurden neu eingebaut, durch welche die Grundtönigkeit noch vermehrt wurde. Entscheidender war die pneumatische Traktur, die es dem Organisten erlaubte, durch die Spielhilfen die Klangaussage schnell während des Spiels zu ändern. 1917 mussten die Prospektpfeifen aus Zinn an die Kriegswirtschaft abgegeben werden. Diese ersetzte 1927 Gustav Heinze durch Zinkpfeifen. 1950 erfolgten Durchsicht und Reparatur der Orgel durch die Orgelbaufirma Gebrüder Jehmlich (Otto & Rudolf) in Dresden. Dabei wurden Quinte 2 2/3‘ und Oktave 2‘ getrennt. Dafür entfiel Gambe 8‘. Da sowohl der Zustand des Pfeifenmaterials als auch die Klangaussage nicht mehr befriedigten, suchte man nach einem Ausweg und prüfte verschiedene Varianten. Als Ergebnis dieser Überlegungen wurde ein Neubau an die Firma Jehmlich in Auftrag gegeben. Am 10. März 1977 wurde eine neue Disposition erarbeitet, die 34 Register umfasste. Das Register Schweizerpfeife 2‘ wurde später eingefügt. Am 14. November 1983 begann das Abtragen der alten Orgel und am 27. Februar 1984 wurde mit dem Aufbau der Orgel begonnen. 2010 renovierte und intonierte der Orgelbau Reinhard Hüfken (1951-2019) aus Halberstadt das Instrument und brachte einen Zimbelstern an. |
Gehäuse: | Da Gehäuse der Orgel wurde in seiner Grundform vermutlich von Köpler errichtet, während das Schnitzwerk von Dreyßigmark (Sorau) stammt und hinzugefügt wurde. Im Grundaufbau ist das Orgelgehäuse ähnlich gestaltet wie die Gehäuse der Silbermann-Orgeln in Forchheim, Crostau, Großhartmannsdorf u.a. Der halbrunde Mittelturm überragt ebenfalls die halbrunden Seitentürme. Dazwischen befinden sich je zwei flache Zwischenfelder. Der Mittelturm trägt eine Kartusche mit einer Krone und der Inschrift GLORIA in exselsis DEO. Die Seitentürme tragen barocke Vasen. Die Schleierbretter der Prospekttürme und der unteren Zwischenfelder sind filigran. Ähnliches Schnitzwerk befindet sich unterhalb der Prospektpfeifen. Einfacher gestaltet ist der obere Abschluß der oberen Zwischenfelder, die eventuell später hinzugefügt wurden. Die Frage, inwieweit das Gehäuse bei Einbau des 2. Manuals 1800 verändert wurde, muss offenbleiben. Insgesamt zeigt das Gehäuse einen reicheren Schmuck an Schnitzwerk als bei Gottfried Silbermann. Allerdings fehlen die bei diesen Orgeln meist vorhandenen geschnitzten Seitenwangen („Ohren“). Diesem Gehäusetyp begegnet man in der Nachfolge Silbermanns in Sachsen bei zahlreichen Orgeln. Lübbenau gehörte damals zu Sachsen. 1984 erfolgte ein neuer Anbau an das Gehäuse durch die Tischlerei Simon aus Hirschfeld. |
Windladen: | Schleifladen |
Spieltraktur: | mechanisch |
Registertraktur: | elektrisch (Setzer) |
Registeranzahl: | 25 |
Manuale: | 2,C-g³ |
Pedal: | C-f1 |
Spielhilfen, Koppeln: | Koppeln: II/I, I/P, II/P
32-fache Setzeranlage, Einzelabsteller, Pleno, Zimbelstern |
Jehmlich 2010
I.MANUAL, HAUPTWERK | II.MANUAL, SCHWELLWERK | PEDAL |
Quintatön 16’
Prinzipal 8’ Rohrflöte 8’ Oktave 4’ Spitzflöte 4’ Quinte 2 2/3’ Oktave 2’ Schweizerpfeife 2’ Mixtur 4fach 1 1/2' Zimbel 3fach 1' Kornett 4fach 4' Trompete 8’ |
Weitgedackt 8’
Salizional 8’ Prinzipal 4’ Koppelflöte 4’ Nasat 2 2/3’ Oktave 2’ Blockflöte 2’ Terz 1 3/5’ Quinte 1 1/3’ Sifflöte 1’ Scharf 5fach 1' Dulzian 16’ Hautbois 8’ Clairon 4’ Tremulant |
Prinzipal 16’
Subbaß 16’ Oktavbaß 8’ Gedackbaß 8’ Nachtorn 4’ Choralbaß 2fach 4'+2' Mixtur 5fach 2 2/3' Posaune 16’ Trompete 8’ |
Heinze 1914
I.MANUAL, C-f³ | II.MANUAL, C-f³ | PEDAL, d1 |
Bordun 16‘
Prinzipal 8‘ Gambe 8‘ Hohlflöte 8‘ Oktave 4‘ Portunalflöte 8‘ Quinte 2/ 2/3‘ Oktave 2‘ Kornett 1-3fach Mixtur 4fach Trompete 8‘ |
Gedackt 16‘ (neu)
Geigenprinzipal 8‘ Salizional 8‘ Gemshorn 8‘ Lieblich Gedackt 8‘ Aeoline 8‘ (neu) Vox coelestis 8‘ (neu) Flaut travers 4‘ Fugara 4‘ Progressiva harmonique 1-3fach |
Violon 16‘
Subbaß 16‘ Principalbaß 16‘ Echobaß 16‘ (Transmission von Gedackt 16’ im II. Manual) Oktavbaß 8‘ Cello 8‘ Posaune 16‘ |
Schlag & Söhne 1880
I.MANUAL, C-d³ | II.MANUAL, C-d³ | PEDAL, C-d1 |
Bordun 16‘
Principal 8‘ Gambe 8‘ Hohlflöte 8‘ Oktave 4‘ Portunal 4‘ Quinte 2 2/3‘ Oktave 2‘ Cornett 3fach Mixtur 4fach Trompete 8‘ |
Geigenprincipal 8‘
Salicet 8‘ Gemshorn 8‘ Lieblich Gedackt 8‘ Flaute travers 4‘ Geigenprincipal 4‘ Progressio harmonique 1-3fach |
Principalbaß 16‘
Subbaß 16‘ Violon 16‘ Oktavbaß 8‘ Cello 8‘ Posaune 16‘ |
Köpler-Claunigk 1800
I.MANUAL (Köpler) | II.MANUAL (Claunigk) | PEDAL |
Principal 8‘
Quintadena 16‘ Groß Gedackt 8‘ Octava 4‘ Superoctava 2‘ Violigamba 8‘ Tertia 1 3/5‘ Quinte 3‘ Mixtur 4fach Spitzflöte (Diskant) 8‘ Vox humana (Baß) 8‘ Flöte Travers 4‘ Undamaris 8‘ |
Praestant 4‘
Viol di Gambe 8‘ (eine offene Flöte) Bordun 8‘ Rohrflöte 8’ Nassart 3‘ Octave 2‘ Quinte 1 ½‘ Spitzflöte 1‘ Cornett (ab c1) 3fach Mixtur 4fach |
Principalbaß 16‘
Subbaß 16‘ Octavbaß 8‘ Octave 4‘ Posaune 16‘ |
Köpler 1741
I.MANUAL, C-c³ | PEDAL, C-c1 | |
Principal 8‘ Zinn
Quintadena 16‘ Holz/Metall Groß Gedackt 8‘ Metall Octava 4‘ Zinn Superoctava 2’ Metall Violigamba 8’ Zinn Tertia 1 3/5’ Metall Quinte 3’ Metall (im Anschlag Klein Gedackt 4‘) Mixtur 4fach Metall Vox humana 4‘ Flöte travers 4’ Holz Undamaris 8‘ Zinn |
Principalbaß 16‘
Subbaß 16‘ Octava 4‘ Posaune 16‘ |
Bibliographie
Literatur: | Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH
Lexikon norddeutscher Orgelbauer, Bd.4, Berlin-Brandenburg und Umgebung einschließlich Mecklenburg-Vorpommern und Umgebung, Pape-Verlag, Berlin 2017. S.309 Johann Jacob Köpler, Neubau 1741; S. 489 Schlag & Söhne um 1880, Umbau oder Neubau. S.173 VEB Jehmlich Orgelbau Dresden, Neubau 1984. Chronologische Übersicht über die Orgeln und ihre Erbauer in der Stadtkirche St. Nikolai in Lübbenau, zusammengestellt von Dr. Wolfram Hackel (Dresden) unter Verwendung der Orgelakten des Evangelischen Pfarramtes Lübbenau einschließlich des Manuskripts von Walter Hauer „Die Geschichte der Orgel in der Nikolaikirche Lübbenau“ (1915) sowie wesentlichen Angaben, die Pfarrer Gottfried Vetter aus Akten im Staatsarchiv Potsdam ermittelte. |
Weblinks: | Wikipedia, Lübbenau, St. Nikolai
veikkos-archiv, Lübbenau, St. Nikolai stiftung-kiba, Lübbenau, St. Nikolai |