Zeulenroda-Triebes/Pöllwitz, St. Nikolaus

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Hiebe-Orgel in Pöllwitz
Orgel im Raum
Prospekt
Spielschrank
Orgelbauer: Johann Tobias Hiebe, Schleiz
Baujahr: 1764
Geschichte der Orgel: 1910/11 Überholung und Umdisponierung durch Ernst Poppe & Sohn

1917 Abgabe von Prospektpfeifen (Octava 4') zu Rüstungszwecken, 1923 Ersatz durch Zink (Poppe)

1952 Arbeiten/Umdisponierung durch Reinhard Schmeisser, Versetzung der Orgel, Einbau eines Gebläses

2008–2009 Restaurierung/Rekonstruktion in zwei Etappen durch Orgelbau Schreiber

Stimmtonhöhe: a1= 459 Hz (15 °C)
Temperatur (Stimmung): Silbermann-Sorge (Th. Young modifiziert)
Windladen: Schleifladen
Winddruck 58 mmWS
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: mechanisch
Registeranzahl: 11
Manuale: 1, CD–c3
Pedal: CD–c1
Spielhilfen, Koppeln: Coppel zum Pedal; Calcanten-Wecker





Disposition

Manual Pedal
Principal 8' ° [1][2]

Grobgedackt 8' ° [1][3]

Octava 4' ° [4][5]

Flaut 4' ° [1][3]

Kleingedackt 4' [6][3]

Quinta 3' ° [7][5]

Octava 2' ° [1][5]

Sesquialtera (D)° [8][5]

Mixtur (B/D)° [1][5]

Sub-Baß 16' ° [1][3]

Principal-Baß 8' [6][3]


Anmerkungen (Quelle: Orgelbau Schreiber)

(B/D): Bass-/Diskantteilung
°: ganz oder teilweise original

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1764
  2. Holz/Metall
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Holz
  4. 1923, 2009, 1764
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Metall
  6. 6,0 6,1 Rekonstruktion 2009
  7. 1764 (2009)
  8. 2009 (1764)




Bibliographie

Anmerkungen: Da nicht alle Bilder des Kircheninnenraums veröffentlicht werden sollen, sind hier nur orgelbezogene zu finden.


Die Orgel in der Kirche St. Nikolaus zu Pöllwitz
Rückblicke – Einblicke – Ausblicke

Verfasser: Orgelbauer Olaf Schreiber, Zeulenroda-Triebes
(mit freundlicher Genehmigung)

Rückblicke
Als Ihre Vorväter am Ende der Barockzeit in der Mitte des 18. Jahrhunderts über eine neue oder größere Orgel nachdachten, musste dafür Platz geschaffen werden. Da die Empore zu klein war, wurde sie vorgezogen. Trotzdem war vor der Orgel nur für den Organisten Platz, da der Organist fast mit dem Rücken an der Brüstung saß.

Der Orgelbauer für die neue Orgel ward schnell gefunden, war doch in Schleiz Meister Johann Tobias Hiebe ansässig, der bereits 1721 sein erstes Werk in Triebes (leider nur noch Teile des Gehäuses erhalten) und u. a. auch die beiden hübschen Orgeln in Kirschkau (1753) und Lössau (1763) erbaute. Bei der Planung und Aufstellung der Orgel in Pöllwitz 1764 scheint jedoch nicht alles glatt gegangen zu sein. Zu viele Änderungen, die während der Erbauung stattgefunden haben, sind in der Orgel sichtbar und nicht alles konnte ordentlich aufgebaut werden. In der Mechanik ist vieles nicht so wie es sein sollte und auch am Pfeifenwerk erkennt man, dass manches anders geplant war.

Am deutlichsten sehen Sie es oben an der Orgel – dort ist ein kleines Malheur mit der Verzierung (Rocaille) und dem Balken passiert – der war nämlich im Weg und man hat mit ein bisschen mehr Rokokko-Schwung eine elegante Lösung gefunden.

Leider sind uns keine Dokumente erhalten geblieben und wir wissen nicht was im Detail vorgefallen ist. Möglicherweise war eine kleinere Orgel geplant und eine größere ausgeführt. Grundsätzlich ist lhre Orgel jedoch der in Lössau sehr ähnlich und dabei nur etwas größer als diese (die Lössauer Kirche ist jedoch größer als Ihre).

Überliefert ist noch dass Organist Donati aus Greiz die Orgel 1764 abgenommen hat.

Wundern Sie sich nicht – Orgeln dieser Zeit waren kräftig im Ton und mussten es auch sein, denn bei den stark besuchten Gottesdiensten dieser Zeit musste auch die Orgel-Begleitung stark sein. Außerdem schlucken viele Menschen auch viel Schall und das muss irgendwie ausgeglichen werden!

Einblicke
Man sollte meinen, eine neue Orgel mache keine Probleme, aber die Zeiten und der Musikgeschmack ändern sich. 1909 untersuchen die Gebrüder Jehmlich, Dresden, die Orgel und beschreiben die Orgel als „nicht sehr solide“. Die Mechanik sei „unpraktisch angelegt“ und bezeichnen dies als „Geburtsfehler“ (siehe links). Weiterhin wird Wurmfrass festgestellt und überhaupt sei vieles kaputt, die Pfeifen zu eng aufgestellt und die Orgel klinge scharf und spitz und eine Reparatur stehe in keinem Verhältnis zum Zustand. Da die Kirche ab 1909 umgebaut wurde, musste auch die Orgel versetzt werden. Man schaffte Platz für den Kirchenchor und rückte die gesamte Orgel nach hinten weiter an die Wand. Dies und eine Generalüberholung führte Ernst Poppe aus Schleiz 1910/11 für 825 Mark aus und veränderte zudem die Orgel klanglich im Sinne der herrschenden Romantik.

1914 brach ein Krieg aus der in Folge im Jahr 1917 fast alle Orgeln Deutschlands ihren zinnernen Prospektpfeifen als Kriegsabgabe berauben sollte. In Pöllwitz gab man eine komplette Pfeifenreihe ab - die Octava 4 Fuß. Dies sind Pfeifen in den Rund- und Spitztürmen, die kleinen Pfeifen stehen innen. Weil aber vom Principal 8' die großen Pfeifen innen und die kleinen in den flachen Feldern stehen, sind uns diese Pfeifen von 1764 erhalten geblieben. Für die nun fehlenden Pfeifen wurde 1923 Ersatz aus Zink, wiederum durch Ernst Poppe, Schleiz geschaffen. Deshalb zweierlei Sorten Pfeifen in der Orgelfront! Eigentlich wollte man 1923 eine neue Orgel bauen, aber Inflation und knappe Kassen vereitelten den Plan. Die Reparatur und Romantisierung kostete 9.000.000 Reichsmark!! In den Folgejahren wird weiter über eine neue Orgel nachgedacht aber nicht ausgeführt. Der 2. Weltkrieg vereitelt auch diese Pläne.

1952 wird Reinhard Schmeisser, Rochlitz an der Orgel tätig, baut ein elektrisches Gebläse ein, verändert wiederum die Orgel klanglich aber diesmal im barocken Sinne, jedoch leider ohne die Hiebe-Originalsubstanz zu schonen. 2 alte Pfeifenreihen werden geopfert, die Orgel außerdern urn 42 cm (!) zusammen geschoben, urn mehr Platz für den Kirchenchor zu schaffen! Dies sollte nun der letzte größere Eingriff sein.

Ausblicke
Holzwurm, schwere Spielbarkeit, kaputte Pfeifen und „sprachlose“ Pfeifen, matter Klang – all das kennzeichnete die Pöllwitzer Orgel zuletzt.

Was war zu tun? Kleine Reparaturen halfen zwar die Orgel spielbar zu erhalten, aber es musste dringend etwas Grundlegendes geschehen.

Orgelbauer Schreiber aus Greiz konnte für die Arbeiten, die in 2 Etappen geplant und ausgeführt werden sollten, gewonnen werden. Vorziehen der Orgel, Generalüberholung des Pfeifenwerks und der Mechanik sowie Rekonstruktion der 2 fehlenden Holzpfeifenreihen wurden in Auftrag gegeben. Bald zeigte sich dass das bei der Besichtigung der Orgel erstellte Konzept ausgeweitet werden musste. Hatte doch Schmeisser 1952 die Pfeifen aufgestellt wie er dachte und nicht wie ursprünglich von Hiebe 1764 ausgeführt. Ein abermaliger Umbau der Orgel ohne Respekt vorm Erbauer kam diesmal nicht in Frage. Infolgedessen wurden konsequenterweise das originale Pfeifenwerk von 1764 auf seinen ursprünglichen Platz wiederaufgestellt, fast alle nicht von 1764 stammenden Pfeifen entfernt und durch passende Pfeifen ersetzt. Es mussten abgeschnittene Pfeifen verlängert, 2 Pfeifenreihen neu gebaut und viele Holzteile neu angefertigt werden. Die zerwurmten Holzpfeifen machten enorme Probleme, gaben sie doch keine oder falsche Töne. Die Mechanik und die Windladen – (das „Herz“ der Orgel mit den darauf befindlichen Pfeifen) mussten zerlegt und überholt werden. Der Spieltisch, der innen mit brauner Fußbodenfarbe gestrichen war, wurde restauriert. Dies alles war mit enormen zeitlichem (Mehr-)Aufwand verbunden.

Jetzt, nachdem die Orgel fertig ist, zeigt sich warum das alles nötig war und sich „das Warten gelohnt“ (Zitat Kantor Barcal) hat. Die Orgel hat ihren frischen Barockklang wieder, die Spielart ist angenehmer, der Gesamtklang natürlicher, aber dafür auch kräftiger, wobei wir wieder am barocken Ursprung des Instruments angelangt sind.

Literatur: Faltblatt zur Orgel (2009), s.o.

Hartmut Haupt: Orgeln im Bezirk Gera – Eine Übersicht über die Orgellandschaft Ostthüringen. Rat des Bezirkes Gera, Abt. Kultur, Gera 1989

Weblinks: Website des Pfarrbereichs

Wikipedia

Eintrag auf orgbase.nl

Kirchenbeschreibung auf fuerstenstrasse-reuss.de