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Sachberatung: Volker Lutz
Einweihungsorganistin: Helga Hoffmann
Artikel aus der Festschrift:
ORGEL IM RAUM das war wohl das Hauptproblem bei den Überlegungen für die neue Orgel in der Stadtkirche Feuerbach. Die Orgel ist ja gewissermaßen ein Möbelstück, das man durchaus an verschiedene Plätze stellen kann. Es gibt aber liturgische, musizierpraktisches, akustische und architektonische Gesichtspunkte, die beachtet werden müssen und die die ideale Plazierung einer Orgel fast zur Quadratur des Kreises machen. Im Fall der Feuerbacher Stadtkirche gab es im Prinzip zwei Möglichkeiten – entweder wieder auf die Empore oder in den Altarbereich vorn. Die mangelnde Höhe, die schon die alte Orgel so sehr in die Breite gezwungen hatte, die auch dadurch schlechte Abstrahlmöglichkeit für den Klang, die nur indirekte akustische Verbindung mit der singenden Gemeinde und auch die Tatsache, daß größere Aufführungen schon seit vielen Jahren vor dem Altar stattfinden, wozu dann immer eigens eine Orgel zur Begleitung herbeigeschleppt werden mußte – all das waren Argumente, die gegen die Empore sprachen. Mit den Kirchengemeinderäten, Architekten, Vertretern des Landesdenkmalamts und der Denkmalbehörde der Stadt Stuttgart, dem Oberkirchenrat, mit Organisten, Orgelbauern und Orgelsachverständigem wurde dann lange diskutiert, wo im Altarbereich der beste Platz sei, der all die genannten Bedürfnisse befriedigt und zudem auch noch gewährleistet, daß das neue Instrument sich nicht nur gut in den Raum einfügt, sondern ihn verschönt – eine Orgel soll ja nicht nur was fürs Ohr, sondern auch was fürs Auge bieten.
Der jetzt gefundene Platz machte zwar auch einige Umbauten nötig, aber der Gewinn für den Raum und für die Musik ist deutlich: durch Freilegung des Fensters bekommt der ganze Altarraum eine bessere Belichtung, und die Orgel konnte so gebaut werden, wie es für die Klangentfaltung und die Führung der mechanischen Traktur am besten ist.
Die runden Fensterbögen und die Stuckfriese des klassizistischen Raums wurden in der Gestaltung des Orgelgehäuses wieder aufgenommen und geben ihm einen ausgesprochen italienischen Charakter. Auswirkungen hat das auch auf die
KLANGGESTALT DER ORGEL
Die Orgel sollte, schon gar am jetzigen exponierten Platz, möglichst wenig Tiefe bekommen – sie belastet dann den Raum optisch wenig, und die einzelnen Register können sich klanglich optimal entfalten.
Aus diesem Grund hat die neue Orgel nur noch 18 Register gegenüber 27 der Vorgängerin. Daß sie zwei Manualwerke und ein Pedalwerk bekommen sollte, war klar. Bei der Überlegung, wie man mit der relativ kleinen Registerzahl doch eine große Anzahl von Klangfarben und -stärken für die verschiedenenen Aufgaben der Orgel im Gottesdienst und auch im Konzert realisieren könnte, kamen wir schließlich auf ein Baukonzept, das zwar nicht neu ist – es wurde schon vor ca. 300 Jahren in Norddeutschland wie auch in Frankreich angewendet – das aber, zumindest in dieser Konsequenz, hierzulande bisher nicht zu finden ist: Das Pedalwerk, das mit den Füßen gespielt wird und in erster Linie das Baßfundament der Orgel liefert, aber auch für cantus-firmus-Spiel in höheren Stimmlagen geeignet sein muß, wird zum „Baßwerk“ – zu den üblichen 30 Tönen jedes Pedalregisters kommen weitere 26 im Diskant, und über eine weitere, dritte Manualkaviatur kann das Werk auch „von Hand“ gespielt werden. Das hat praktische Vorteile – bei der Begleitung von Chor und Orchester kann der Organist bequem die 16'-Lage mitspielen (diese Forderung der Organistin hat die ganze Überlegung angeregt), und zusätzlich steht eine weitere Klangpalette für Triospiel und Begleitung wie auch für die Einfärbung von Plenomischungen zur Verfügung.
Daß die Orgel Schleifladen mit mechanischer Traktur bekommen sollte (dabei stehen alle Pfeifen, die zu einer Taste gehören, auf einer Kan-zelle, erhalten gemeinsamen Wind, und der Organist spürt durch die direkte Verbindung Taste–Ventil genau, wann der einzelne Ton kommt und kann auch An- und Absprache kontrollieren), stand schon immer fest. Das eine ist für die optimale Klangverschmelzung. das andere für lebendig artikuliertes Spiel wichtig – beides sind elementare Forderungen an eine gute Orgel, die im Zuge der Technisierung des Orgelbaus und der weithin zu beobachtenden Dekadenz der Orgelmusik im vergangenen Jahrhundert in Vergessenheit gerieten, während sie vorher jahrhundertelang beachtet worden waren. Unser Jahrhundert hat diese Qualitäten wieder entdeckt, und die neue Stadtkirchenorgel wird einmal mehr zeigen, wie lebendig und klang differenziert ein doch recht kompliziertes und eigentlich recht „maschinelles“ Instrument klingen kann – wenn es richtig gemacht ist. Es ist klar, daß man auf einer relativ kleinen Orgel nicht Orgelmusik aller Epochen und Landschaften originalgetreu wiedergeben kann – letztlich geht das auch auf keiner großen – die Universalorgel gibt es nicht. Wir versuchten, die Forderungen des gottesdienstlichen Orgelspiels in den Vordergrund zu rücken. Die sind mit verschiedenen Pleno-Abstufungen für Vor- und Nachspiel und Gemeindebegleitung, mit abstufbarer Begleitung für Chor, Orchester und Solisten, mit cantus-firmus-Möglichkeiten in verschiedenen Lagen und Stärken und den dazugehörenden Begleitmöglichkeiten sowie ausreichend vielen abgestuften Triomöglichkeiten durchaus vielfältig und anspruchsvoll, und wenn eine Orgel das alles kann, kann man auf ihr auch Orgelmusik aller Epochen gültig darstellen.
Diese Überlegungen führten nach langen und ausgesprochen fruchtbaren Unterhaltungen und Diskussionen zwischen Organistin, Orgelbauer und Sachverständigem zur folgenden
DISPOSITION
[Disposition]
Gehäuse, Windladen, Schleifen, Registertraktur, Spieltraktur und Holzpfeifen aus Massivholz (Eiche und Fichte). Prospektpfeifen 75 % Zinn, übrige Metallpfeifen 40 % Zinn. Offene Pfeifen bis 4'-Länge auf Länge geschnitten. Gedeckte zugelötet. Insgesamt 1228 Pfeifen, davon 139 Holzpfeifen und 1089 Metallpfeifen. Kleinste Pfeife 11,8 mm, längste Pfeife 2,315 m. Windversorgung über Gebläse und Spanbalg ohne Schwimmerbälge.
Kanaltremulanten für Hauptwerk und Brustwerk. Schiebeschweller für Brustwerk. Zwei Zimbelsterne.
Volker Lutz
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