|ANMERKUNGEN = '''Zur Gestaltung der neuen Orgel - Gedanken des Orgelbauers'''<br>Eine Orgel beeinflusst in mehrfacher Weise den Raum, zunächst einmal optisch: Ob und wie die Orgel in ihrer äußeren Gestalt Bezug auf den Raum nimmt, ist manchmal Gegenstand langer Diskussion.
Durfte die neue Ennigloher Orgel ein Barockmöbel sein - – in der 1958 gebauten, also modernen Kreuzkirche? Allzu abwegig ist der Gedanke nicht, da unsere Orgel technisch und klanglich wesentlich auf historischen Konzepten beruht, und auch auf ihr gestaltete Musik und Liturgie auf in der Tradition Bewährtes zurückgreifen. Andererseits sollte das Instrument kein Fremdkörper sein, sondern zum Raum passen und identitätsstiftend wirken, ein Ennigloher Anspruch, der z. B. in Kreuters Bronzechristus und etwa den markant gestalteten Fenstern zum Ausdruck kommt. Wir sind schließlich gestalterisch auf den vergleichsweise schlichten Kirchenraum eingegangen, wobei wir grundsätzlich gerade die Abweichung von einfachsten geometrischen Formen reizvoll finden. Uns ging es um eine Balance zwischen dem Wechsel von Formen und Linien und den Momenten ästhetischer Ruhe, dazu Ornamente, die in gewissem Sinn historisch „pflanzlich“ daher kommen, aber dennoch deutlich zeitgemäß sind. Wichtig war für uns, dass die Ennigloher Orgel eben nicht nur aus „klaren Formen“ besteht, sondern dass „das Auge zu tun“ bekommt; „schön“ kommt von „ansehen“. Zudem haben wir die klanglich und technisch an eine Orgel gestellten Anforderungen beachtet. Von barocken Gestaltungselementen äußerlich geblieben sind neben dem Gehäuse aus massivem Eichenholz die Prospektpfeifen als Abbild des technisch sinnvollen inneren Aufbaus.
Allerdings bauen wir Musikinstrumente. Daher steht die klangliche Dimension der Orgel im Vordergrund unseres Konzeptes. (Das kann man auch anders sehen. Und vielerorts ist es gerade umgekehrt: Die Orgel ist eher Skulptur, die Pfeifen sind eine beim Zulieferer gekaufte Nebensache.) Wie bei all unseren Instrumenten hatten der Pfeifenbau und schließlich die Intonation höchste Priorität. Alle Pfeifenbleche - – in historischer, standfester und klanglich optimaler Legierung - – wurden in unserer Werkstatt gegossen, die Platten zur Mündung hin auf halbe Stärke ausgedünnt und anschließend auf der Innenseite mit der Ziehklinge abgezogen, bevor sie zu Pfeifen verlötet wurden, alles von geübter Hand. In der Werkstatt wurden alle Pfeifen vorintoniert, später in der Kirche über mehrere Wochen dem Kirchenraum klanglich angepasst.
Allerdings geschieht Klanggestaltung bereits bei der Planung der Orgel zunächst über die Disposition (Liste der Register), aber auch über die sog. Mensuration, d. h. die Pfeifendurchmesser und deren Verlauf innerhalb der einzelnen Register. Mensuren gelten unter vielen Experten als der (zumeist) geheime Schlüssel zum Klang der alten Meister der Barockzeit, deren Orgeln uns auch heute vielfach noch unübertroffen scheinen. Auch weil unsere Werkstatt darauf spezialisiert ist, bestand in der Kreuzkirche die Motivation, eine Orgel zu bauen, die sich in ihrem Klangkonzept an norddeutsche Bauweisen anlehnt. So wäre es naheliegend gewesen, einfach bekannte norddeutsche Mensuren auf unsere Orgel zu übertragen oder eine der zahlreichen veröffentlichten mathematischen Berechnungsmethoden anzuwenden. (Dabei geht es in dieser Betrachtung grundsätzlich um die Prinzipal-Mensuren als klangliches Rückgrat einer Orgel.)