Leipzig/Lindenau, Philippuskirche

Aus Organ index
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Philippuskirche Leipzig, Blick zum Altarraum mit der Orgel. Foto 2015.
20150414 Philippuskirche mit DSD (27) (retouched).JPG
Die Orgel im Werbekatalog
Philippuskirche in Leipzig-Lindenau. Foto 2019.
Orgelbauer: Gebrüder Jehmlich (Bruno & Emil), Dresden, op.287
Baujahr: 1910
Geschichte der Orgel: „Die Orgel wurde 1910 von der Firma Gebrüder Jehmlich, Dresden, als Opus 287 erbaut und am 6. November 1910 eingeweiht. Paul Gerhardt, Zwickau, entwarf die Disposition und die Spieltischeinrichtung sowie die Zusammensetzung der festen Kombinationen und des Registercrescendos. Das Instrument hat pneumatische Traktur und Kegelladen. Der Spieltisch ist auf der linken Seite der Orgelbühne aufgestellt. Laden und Pfeifenwerk des II. und III. Manuals stehen in einer gemeinsamen Schwellkammer.

Die Ausführung erfolgte mit zahlreichen Abweichungen vom Kostenanschlag der Fa. Jehmlich vom 11. Januar 1909 und von den Entwürfen und Vorschlägen Gerhardts (unter anderem in dessen Schreiben an Orgelbaumeister Bruno Jehmlich vom 10. Mai 1909). Aus Kostengründen wurden einige Register technisch vorgesehen, aber noch nicht mit Pfeifen besetzt. Somit hatte die Orgel ursprünglich 48 Register (gegenwärtig 50 klingende Register),

6 Extensionen,

19 Transmissionen,

1 Mixtur-Auszug und

1 Register mit vorgeschaltetem Tremulanten.

5 Register waren für späteren Einbau vorgesehen. Nachträglich wurde ein Register davon ergänzt, ein ursprünglich zweichöriges Register wurde geteilt.

1 Register ist nur im Spieltisch angelegt.

Angelegt sind also 81 Registerschaltungen einschließlich der Mehrfachnutzungen, davon 54 (= 67%!) für Register im Schweller.

1937 wurden einige Register verändert und die 30-fache Freikombination entfernt, aber im Orgelinneren aufbewahrt.

1958 erhielten alle Mixturen eine neue Zusammensetzung und Intonation.“ Greß

1980 war eine Reparatur angedacht, aber aus finanziellen Gründen nicht möglich. Zuletzt war das Instrument nicht mehr zur musikalischen Nutzung geeignet. Der Orgelprospekt war noch in einem recht guten Zustand. Für das Innenwerk wurde eine gründliche Restaurierung und Reinigung angefordert. Die Ledermembranen sollten erneuert werden. Wegen Schäden an der Traktur waren einige Pfeifen nicht mehr spielbar.

2012 wurde dem Berufsbildungswerk Haus und Grund von der Kirche übertragen. Die Türen der Kirche öffneten sich wieder für einen monatlichen Gottesdienst, Ausstellungen, Konzert- und Vortragsveranstaltungen. Ende 2016 öffnete ein Inklusionshotel mit angeschlossener Gaststätte. Das zentrale Anliegen von Philippus Leipzig ist die Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeits- und Lebenswelt der Stadt Leipzig.

Am Heiligen Abend 2013 erklang einmalig die Orgel nach einer Reinigung des Spieltischs und ließ die reichen Klangmöglichkeiten erahnen, die eine umfassende Restaurierung versprach. Geschätzt wurde, dass 90 Prozent der Register original erhalten waren. Nach Aussagen von Fachleuten war die Orgel in generell gutem Zustand und von hohem Denkmalwert.

Die Orgelrestaurierung übernahm Orgelrestaurator Stefan Pilz aus Leipzig. Dieser starb 2018 bei einem Verkehrsunfall.

2020 wurde die Orgelbaufirma Frank Peiter aus Lengefeld im Erzgebirge mit der Restaurierung der Orgel beauftragt. Ziel war die Wiederherstellung des Zustandes von 1910, inklusive der damals vacat gebliebenen Register. Die Fertigstellung der Orgel erfolgte im Mai 2021. Universitätsorganist Daniel Beilschmidt spielte das Konzert zur Orgelweihe.

Umbauten: 2021 Erweiterung um die fehlenden Register sowie Sanierung durch Frank Peiter
Stimmtonhöhe: a1 = 432 Hz bei 18°C, gleichstufig temperiert
Windladen: Kegelladen
Spieltraktur: pneumatisch
Registertraktur: pneumatisch
Registeranzahl: 54 (8 Transmissionen/Extensionen)
Manuale: 3
Pedal: 1
Spielhilfen, Koppeln: als Registerwippen:


6 Normalkoppeln

Generalkoppel

Sub-Octav-Koppeln: II/I, III/II

Super-Octav-Koppeln: I/I, II/II, III/II, P/P, II/P („Pedal-Tenorkoppel“)


als Druckknöpfe:


Ausschalter für Koppeln, Rohrwerke, Gruppen, Pedalgruppen, Crescendo

5 feste Gruppen: p, mf, f, ff, fff für alle Manuale mit entsprechenden Pedalregistrierungen ohne Koppeln in Wechselwirkung mit Tritten

Druckregisterausschalter für jedes Manual und für Pedal, Gesamt¬druckregister-ausschalter

Einschalter für 30-fache Freikombination

Einschalter für 1 Freikombination


Tritte:


Generalkoppel

Manualkoppeln


5 feste Gruppen: p, mf, f, ff, fff für alle Manuale mit entsprechenden Pedalregistrierungen ohne Koppeln (mit Druckknöpfen in Wechsel¬wirkung)


Pedalkoppeln

Generalkoppel


freie Gruppen

5 feste Pedalgruppen: p, mf, f, ff, Tutti mit allen Manual- und Pedalkoppeln

Generalcrescendo (40 Stationen, ohne Koppeln) als Fußwalze und Handrad

Jalousieschweller für II. und III. Manual gemeinsam und 2 Pedalregister (doppelt, für linken und rechten Fuß)

30-fache, pneumatische, freie Registervorbereitung (Patent Gebrüder Jehmlich) für sämtliche Register, Koppeln und Ausschalter

Drucktasten zum Abschalten aller Wippen der einzelnen Registerstaffeln



Disposition seit 2021

I. MANUAL, C – a3,
zum Teil intern bis a4
II. MANUAL, C – a3 III. MANUAL, C – a3,
zum Teil intern bis a4
PEDAL, C – f1
Principal 16’[1]

Bordun 16’

Principal 8’

Flûte harmonique 8’

Bordun 8' [2]

Gambe 8’

Salicional 8’

Gemshorn 8’

Octave 4’

Rohrflöte 4’

Dolce 4’[3]

Rauschquinte 2fach 2 2/3[4]

Cornett 3 – 4fach 2 2/3

Mixtur 3 – 5fach 2’[5]

Trompete 8’

Clarine 4’ [6]

Bordun 16’

Principal 8’

Konzertflöte 8’

Rohrflöte 8’

Viola 8’

Dolce 8' [3]

Schwebeflöte 8’[7]

Principal 4’[8]

Fernflöte 4’

Gemshorn 4’

Rohrquinte 2 2/3[3]

Piccolo 2’[9]

Terz 1 3/5

Septime 1 1/7[3]

Progressio 4fach 2 2/3[10]

Oboe 8’

+ Transmission aller
18 Register des
III. Manuals(!)

Gedackt 16’

Geigenprincipal 8’

Zartflöte 8’

Spitzflöte 8’

Lieblich Gedackt 8’

Quintatön 8’

Violine 8’

Aeoline 8’

Vox coelestis 8’[11]

Traversflöte 4’

Viola d’amour 4’[12]

Fugara 4’[13]

Nasat 2 2/3

Flautino 2’

Sifflöte 1’[14]

Harmonia
aetherea 3 – 4f. 2'[15]

Trompette harmon. 8’

Clarinette 8’[16]

Untersatz 32’

Principalbaß 16’

Subbaß 16’[17]

Gedacktbaß 16’[18]

Violon 16’

Harmonikabaß 16’

Baßquinte 10 2/3[3]

Baßflöte 8’[19]

Gedackt 8’[17]

Cello 8’[20]

Principalflöte 4’

Posaune 16’

Baßtrompete 8'[21]

Anmerkungen
  1. Teilweise Prospekt
  2. Extension Bord. 16’
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Neu, 2020
  4. ab 1937 bis 2020: Quinte 2 2/3’ + Octave 2’ getrennt
  5. ab 1958 bis 2020: 3 – 4fach 1 1/3
  6. Extension Tromp. 8’
  7. = Zartfl. / III. + Tremul.
  8. Extension Princ. 8’
  9. Auszug Progressio
  10. von 1958 bis 2021 Rauschmixtur 3fach 2’
  11. ab c0
  12. von 1937 bis 2020: Schweizerflöte 2’
  13. von 1937 bis 2020: Superquinte 1 1/3
  14. zunächst nur vorgesehen, 1937 ergänzt
  15. von 1958 bis 2020: Zimbel 3fach 1’
  16. durchschlagend
  17. 17,0 17,1 Extension Unters. 32’
  18. Transm. II. (Schweller)
  19. = Prinzipalfl. Prosp.
  20. im Schweller
  21. Extension Posaune



Bibliographie

Literatur: anonym, Leipzig. Disposition der Orgel in der Philippuskirche Leipzig, in: Zeitschrift für Instrumentenbau, Bd. 31, Leipzig 1910/1911, S. 209.

Max Allihn, Die vielfache freie Kombination, in: Zeitschrift für Instrumentenbau, Bd. 31, Leipzig 1910/11, S. 4f. (mit ausführlicher Beschreibung der 30fachen Frei-kombination in der Orgel der Philippuskirche Leipzig).

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen, Orgeldatenbank ORKASA

Paul Gerhardt, Zwickau, Schreiben vom 10.05.1909 an Emil Jehmlich, Dresden, mit Entwurf für die Disposition der Orgel in der Philippuskirche Leipzig, Typoskript, Archivakten Jehmlich Orgelbau Dresden.

Paul Gerhardt, Auszug aus handschr. Gutachten vom 29.09.1911 über die Orgel der Philippuskirche Leipzig, Archivakten Jehmlich Orgelbau Dresden, Scan.

Gebrüder Jehmlich, Dresden, Kostenanschlag für die Orgel der Philippuskirche Leipzig, vom 11.01.1909 (mit Mensurangaben), Typoskript, Archivakten Jehmlich Orgelbau Dresden.

Sigfrid Karg-Elert, Orgel und Harmonium, in: Musiktaschenbuch, Leipzig o. J. (1920), S. 275 – 301, speziell S. 288.

ders., Rezension des Einweihungskonzertes, gespielt von Paul Gerhardt am 06.11.1910, in: Zeitschrift für Instrumentenbau, Bd. 31, Leipzig 1910/1911, S. 211 (Nachdruck aus „Leipziger Neuesten Nachrichten“).

Thomas Lipski, Die Jehmlich-Orgel der Philippuskirche zu Leipzig-Lindenau … in: ARS ORGANI, 50. Jhg., H. 3, 2002, S. 151 – 155. (Beschreibung stützt sich nur auf Registerbeschriftung im Spieltisch und Archivalien.)

Ernst Schnorr von Carolsfeld, Spieltischprobleme im Orgelbau, in: Zeitschrift für Instrumentenbau, Bd. 30, Leipzig 1909/1910, S. 958 f. (mit Spieltischabbildung der Orgel der Philippuskirche Leipzig).

Der Orgel hinter die Pfeifen geschaut - Restaurierung der Jehmilch-Orgel in PHILIPPUS Leipzig, in: Philippusreihe, Bd. 8

Weblinks: Wikipedia, Leipzig-Lindenau, Philippuskirche

Webseite, Leipzig-Lindenau, Philippuskirche

Leipziger Zeitung, 4/21, Feierliche Orgeleinweihung, Leipzig-Lindenau, Philippuskirche

dewiki, Lexikon, Leipzig-Lindenau, Philippuskirche

Philippusreihe Bd.4 Orgel und Kirchenraum

Philippus-Leipzig, 4.5.2021, feierliche Weihe der Jehmlich-Orgel


Videos

Hans Fährmann (1880-1940): Ulmer Münster Fantasie op. 76,1 - Jonas Schauer


Konzerte am Kanal Sessions: Improvisation - Daniel Beilschmidt