Gernsheim, Hausorgel Clemens Matthias Wunderle
Adresse: 64579 Gernsheim am Rhein (Kreis Groß-Gerau)
Gebäude: Hausorgel
Orgelbauer: | Förster & Nicolaus, Lich / Berghöfer, Marburg / Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth / Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg |
Baujahr: | 1955 / 2008 / 2025 (Fertigstellung und Anschluss von Subbass und Chorpositiv) |
Geschichte der Orgel: | Das Hauptinstrument (II/14, Bild rechts) ist Bestandteil einer umfangreichen und außergewöhnlichen (Haus-)Orgelanlage. Es besteht zu einem Teil aus dem Pfeifenwerk der früheren Orgel der katholischen Pfarrkirche St. Ludwig in Darmstadt (II/20, elektropneumatische Kegelladen), welche von der Firma Förster & Nicolaus 1955 für diese Kirche erbaut und 2005 durch ein neues Werk der Firma Winterhalter ersetzt wurde. Einige weitere Register stammen aus der Orgel der evangelischen Kirchengemeinde Wirges im Westerwald (I/6), welche 1954 ebenfalls durch die Firma Förster & Nicolaus erbaut wurde (2006 auch zugunsten einer neuen Orgel aufgegeben).
Dieses Orgelwerk bildet eine Einheit und besitzt sowohl eine mechanische als auch eine elektrische Spiel- und Registertraktur (Schleifladen). Die klangliche Gesamtaussage orientiert sich deutlich an dem Konzept der ehemaligen Orgel von St. Ludwig in Darmstadt (s. Weblink). Das Instrument eignet sich mit seinen Farbstimmen und Zungen gut zur Wiedergabe von Musik des Barock bis hin zur Moderne, vermag jedoch im Zusammenspiel mit den anderen Werken auch bei romantischen oder symphonischen Kompositionen seinen schlüssigen Beitrag zu leisten. Die Intonation aller Register ist klar und durchsichtig angelegt, ohne dabei spitz oder aufdringlich zu wirken. Somit bildet diese Orgel das Zentrum einer mehrteiligen Anlage, welche insgesamt von einem separaten elektrischen Hauptspieltisch (II/P) mit Setzeranlage gespielt werden kann. Die weiteren Teilwerke (nur vom elektrischen Spieltisch spielbar) wurden sukzessiv ergänzt durch Förster & Nicolaus, Lich (Bombardwerk); Orgelbau Berghöfer, Marburg (Fernwerk und Trompeteria) und Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth (Subbass und Chorpositiv). Das Pfeifenmaterial dieser Werke ist teilweise aus hochwertigen Gebrauchtregistern aufgegebener Orgeln zusammengestellt. Die klanglich-dispositionelle Gestaltung wurde von Clemens Matthias Wunderle entwickelt. Im Zusammenspiel aller Orgelwerke eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten zur Improvisation und zur Wiedergabe einer großen Bandbreite der Orgelliteratur. Das Bombardwerk ist naturgemäß kräftig und ausdrucksstark angelegt. Die Bombarde 16' bringt die notwendige fundamentale Stärke, während die Tromp. harmonique 8' stark und selbstbewusst führt. Die Trompeteria ist vergleichbar mit einer spanischen Trompete (hier vertikal aufgestellt) in enger Mensur. Dieses Werk klingt schmetternd-frisch und kräftig. Das Fernwerk ist deutlich der Romantik gewidmet. Die dort vorhandene Schwebung trägt wesentlich zur Prägung bei. Die beiden Zungen fügen sich passend ein und dienen sowohl dem solistischen Spiel als auch dem Gesamtklang. Das Chorpositiv unterstützt mit dem Holzprinzipal und den Flöten eine warme und angenehme Grundtönigkeit. Es bietet mit der "Vox Mirabilis" zusätzlich ein durchaus unkonventionelles Nonenkornett. Die Unda Maris 8' (Meereswoge) stellt eine weitere und seltene Charakterstimme dar. Um der Gesamtkonzeption das nötige Fundament zu verleihen, gibt es neben dem Untersatz 16' der Hauptorgel zusätzlich einen eigenständigen Subbass 16', aus welchem akustisch auch ein 32' gebildet werden kann. Die Register der Teilwerke stehen auf Einzeltonladen mit Ventilscheibenmagneten (24V). Der Spieltisch stammt von einer früheren Kirchenorgel und wurde für die neue Funktion entsprechend umgearbeitet. Ein derart komplexes System erfordert eine umfangreiche Steuerungstechnik. Entwicklung und Anfertigung der Steuerung mitsamt der Überarbeitung des Spieltischs lagen in den Händen der Firma Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg. Hauptorgel, Chorpositiv und Trompeteria befinden sich in einem Raum, in welchem auch der Hauptspieltisch seinen Platz hat. Fern- und Bombardwerk sowie der Subbass 16' sind in einem separaten Raum aufgestellt. Insgesamt besitzt die Orgelanlage 25 klingende Register nebst zweier Effektregister. Mithilfe der Auszüge auf den Einzeltonladen werden 35 Register gewonnen. Die Hauptorgel ist von einem Gehäuse umgeben. Bei den übrigen Werken sind die Register frei sichtbar auf den Laden angeordnet. Die Verteilung der Manualwerke im Hauptspieltisch ist: Manual I - Hauptwerk der Hauptorgel, Bombardwerk, Trompeteria; Manual II - Oberwerk der Hauptorgel, Fernwerk, Chorpositiv. Das Bombardwerk enthält als Besonderheit die Bombarde 16' aus der früheren OESA-Orgel (Organeria Española S.A.) der Kathedrale Basílica del Pilar in Saragossa, Spanien. Dieses Instrument wich 2007 einem Neubau der Firma Klais. Ein weiterer bedeutender Bestandteil dieser früheren Kathedralorgel, die große spanische Trompeteria, wurde 2015 der Orgel der katholischen Kirche St. Jakobus in Rüdesheim hinzugefügt (s. Weblink). Winddruck (mmWS): Hauptorgel: HW 57, OW und P: 65 / Bombardwerk: 85 / Fernwerk: 77 / Trompeteria: 65 / Chorpositiv: 60. Jedes Werk hat eine eigene Windversorgung mit separatem Balg (die Windzufuhr des Subbass erfolgt über das Bombardwerk). Insgesamt verfügt die Orgelanlage über fünf Gebläsemaschinen. |
Stimmtonhöhe: | a1 = 441 Hz |
Temperatur (Stimmung): | gleichstufig |
Windladen: | Schleiflade / Einzeltonlade |
Spieltraktur: | mechanisch / elektrisch |
Registertraktur: | mechanisch / elektrisch |
Registeranzahl: | 25 (35) + 2 Effektregister |
Manuale: | 2, C-g3 |
Pedal: | C-f1 |
Spielhilfen, Koppeln: | Normalkoppeln, Sub- und Superkoppeln |
Disposition am Hauptspieltisch
I Hauptwerk | II Oberwerk | Pedal |
Holzflöte 8'
Prinzipal 4' Blockflöte 2' Mixtur 3 fach Krummhorn 8' Kuckuck Zimbelstern
Bombarde 16' [1] Tromp. harm. 8' [2] Clairon 4' [3]
Trompete 8' [4] Quinttrompete 51/3' [5] Fanfare 4' [6] |
Metallgedackt 8'
Rohrflöte 4' Spitzflöte 2' Sifflet 1' Sesquialtera 2 fach [7] Hirtenregal 8' Tremulant
Holzprinzipal 8' [8] Hohlflöte 8' [9] Unda Maris 8' [10] Holzprästant 4' [11] Offenflöte 4' [12] Vox Mirabilis 4 fach [13]
Geigenprinzipal 8' [14] Schwebung 8' [15] Oktave 4' Nachthorn 2' Horndulzian 8' Schalmey 4' |
Untersatz 16'
Rohrgedackt 4' Liebl. Posaune 16' [16]
Untersatz 32' [17] Subbass 16' Posaune 16' [18] |
- Anmerkung
- ↑ C-H halbe Länge, ab c0 volle Länge, ab f#2 in französischer Bauweise
- ↑ Eigenständiges Register in 8'-Länge (volle Länge). Ausgebaut bis g5
- ↑ Extension der Tromp. harm. 8'
- ↑ Eigenständiges Register, ab c0 in französischer Bauweise, volle Länge. Ausgebaut bis g5
- ↑ Extension der Trompete 8'
- ↑ Extension der Trompete 8'
- ↑ Zusammensetzung: C: 4/5' + 2/3' | G#: 11/3' + 4/5' | e0 : 13/5' + 11/3' | c1 : 22/3' + 13/5'
- ↑ C-H gedeckt
- ↑ C-H von Holzprinzipal 8'
- ↑ ab c0, als Gemshorn ausgeführt (tiefer schwebend)
- ↑ Extension von Holzprinzipal 8'
- ↑ Extension von Hohlflöte 8'
- ↑ "Mirabilis" = Anspielung auf den Namen Wunderle. Zusammensetzung: C: 2' + 11/3' + 4/5' + 4/9' | f0: 22/3' + 2' + 13/5' + 8/9' | c#3: 31/5' + 22/3' + 2' + 17/9'
- ↑ C-H gedeckt
- ↑ ab c0, als Salicional ausgeführt (höher schwebend)
- ↑ halbe Länge
- ↑ C-H akustisch aus Subbass (Quintschaltung)
- ↑ Transmission der Bombarde 16' aus dem Bombardwerk
Disposition nach Werkstandorten
Hauptorgel
I Hauptwerk | II Oberwerk | Pedal |
Holzflöte 8'
Prinzipal 4' Blockflöte 2' Mixtur 3 fach Krummhorn 8'
Zimbelstern |
Metallgedackt 8'
Rohrflöte 4' Spitzflöte 2' Sifflet 1' Sesquialtera 2 fach Hirtenregal 8'
|
Untersatz 16'
Rohrgedackt 4' Liebl. Posaune 16' |
Fernwerk
Manual | Pedal |
Geigenprinzipal 8'
Schwebung 8' Oktave 4' Nachthorn 2' Horndulzian 8' Schalmey 4' |
Untersatz 32'
Subbass 16' Posaune 16' |
Bombardwerk
Bombarde 16'
Tromp. harm. 8' Clairon 4' |
Trompeteria
Trompete 8'
Quinttrompete 51/3' Fanfare 4' |
Chorpositiv
Holzprinzipal 8'
Hohlflöte 8' Unda Maris 8' Holzprästant 4' Offenflöte 4' Vox Mirabilis 4 fach |
- Anmerkungen
Klangbeispiele der Orgelanlage
Tutti der Hauptorgel (Choralvorspiel zu GL 329 von C. Wunderle )
Hauptorgel Solostimmen (Flor Peeters, 1903-1986, Herr Jesus hat ein Gärtchen, 2. Variation), gespielt von C. Wunderle
Hauptorgel Hirtenregal 8' mit Tremulant (Flor Peeters, 1903-1986, Herr Jesus hat ein Gärtchen, 4. Variation), gespielt von C. Wunderle
Fernwerk und Hauptorgel (L. Vierne, Berceuse), gespielt von C. Wunderle
Bombardwerk Klangbeispiel, gespielt von C. Wunderle
Generaltutti-Klangbeispiel der Orgelanlage, gespielt von C. Wunderle
Verweise
Bibliographie
Weblinks: | Wikipedia: Liste von Hausorgeln |