Ahorntal/Oberailsfeld, St. Burkard

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Historische Herrmann/Heidenreich-Orgel in St. Burkard Oberailsfeld
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Orgelbauer: Engelhard Herrmann / Johann Friedrich Heidenreich
Baujahr: 1834–1837
Geschichte der Orgel: 1971 - Arbeiten durch Orgelbau Hoffmann, Ostheim

Denkmalgerechte Restaurierung 2017–2019 - Andreas Hemmerlein, Cadolzburg[1]


Geschichte der Engelhard Hermann / Johann Friedrich Heidenreich-Orgel von 1834/37 der kath. Kirche St. Burkard zu Oberailsfeld
(Quelle: Schaukasten in der Kirche; Verfasser: OBM Andreas Hemmerlein, mit freundlicher Genehmigung)

Diese Darstellung der Baugeschichte der Orgel basiert auf der von uns vorgenommenen Sichtung und Auswertung der einschlägigen Akten im Archiv des Erzbistums Bamberg (AEB), beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD), im Firmenarchiv Steinmeyer / Oettingen, im Pfarrarchiv Oberailsfeld vor Ort im Gemeindehaus 'Alte Schule' und im Staatsarchiv Bamberg.

1769     Kirchenneubau mit alter Orgel
Nach Fertigstellung der neuen Kirche 1769 wurde laut Pfarrchronik die alte Orgel aus der Vorgängerkirche mittig auf der Empore vor dem Westfenster aufgestellt, dagegen beschreibt Pfarrer Held in seinem Brief vom 25. Juni 1834 an die Königl. Regierung des Obermain-Kreises, dass damals eine gebrauchte, minderwertige alte Orgel angeschatft worden sei.

1822     Reparatur und Umbau der alten Orgel von Anton Dressel / Hollfeld
Nach einem Kostenanschlag für 78 fl 12 kr vom 1. August 1822 erfolgte eine größere Reparatur, Reinigung und Stimmung der alten Orgel mit Umbau, wobei der Windkasten samt obenliegender Ventile umverlegt und diese nach unten abziehbar eingerichtet wurden. Diese umfangreichen Arbeiten wurden vom Hollfelder Orgelbauer Anton Dressel ausgeführt, für die er letztlich 66 fl. erhielt und die im November 1822 bereits abgeschlossen wurden. Diese alte Orgel hatte laut der Beschreibung des Orgelbauers Dressel 12 klingende Register, eine eigenständige "Baßwindlathe" (Pedalwerk) und 3 Keilbälge (Disposition siehe 1833).

1824     Reparatur und Dauerpflege der alten Orgel von Anton Dressel / Hollfeld
Laut dem Schreiben des Pfarrer Held von 25. Juni 1834 war 1824 bereits wieder eine Reparatur notwendig und ab 1827 wurde eine alljährliche Wartung mit Dressel vereinbart, um die Orgel überhaupt noch spielbar zu halten.

1833     Kostenanschlag fürt eine "neue" Orgel von Anton Dressel / Hollfeld
Unterm 15. November 1833 legte Orgelbauer Dressel einen Kostenanschlag vor, in dem er unter Verwendung und Aufarbeitung des Pfeifenwerkes, der Manualwindlade und des Gehäusematerials der alten Orgel zum Bau einer "neuen" Orgel rät, die ebenfalls wieder 12 klingende Register erhalten sollte. Diese sollte auch weiterhin mit nur einem Manual und Pedal ausgestattet sein, jedoch mit zweigeteiltem Gehäuse, wie der erhaltene Riß von Dressel zeigt. Diese Arbeiten wollte er für 576 fl 28 kr durchführen, fand aber offenbar mit seinem Konzept bei der Kirchengemeinde keine Zustimmung. In seiner Baubeschreibung nennt Dressel jedoch nur folgende 11 Register:
 Principal 8', Bortun 16', Flauten 8', Gedackt 8', Violdigamba 8', Octave 4', Quint 3', Octav 2', Mixtur 4fach, [Solicional 8'], Subbas 16', Octavbas 8'

Solicional 8': dieses von Dressel nicht aufgelistete Register war laut den Versteigerungsinseraten 26.04.1836 bzw. 10.05.1836 ein Solicional 8'. Ansonsten sind, bis auf die Schreibweise, die Dispositionsangaben für die alte Orgel von 1833 und 1836 gleich.

21. April 1834     Vertragsschluss für dle neue Orgel mit Engelhard Herrmann / Stöckach
Nach entsprechender Kontaktaufnahme, die uns leider nicht überliefert ist, kommt der Stöckacher Orgelbauer Engelhard Herrmann nach Oberailsfeld und schließt am 21. April 1834 mit der Gemeinde Oberailsfeld einen Vertrag über den Bau einer neuen zweimanualigen Orgel mit 16 klingenden Registern zu dem letztendlich recht niedrigen Preis von 1700 fl. In den Akkordbedingungen wurden folgende Abschlagszahlungen vereinbart: 1000 fl nach Fertigstellung der geprüften und für gut befundenen Orgel und die restlichen 700 fl danach in drei Jahresfristen. Die Kosten für Transport, Schmieds-und Zimmermannsarbeiten sowie sonstige Handlangerarbeiten bei Aufstellung der Orgel sollten von der Gemeinde extra getragen werden. Die zuvor sicherlich erfolgte Ortsbegehung der Kirche mit entsprechender Maßaufnahme führte zu der Entscheidung, dass die neue Orgel -wie die Gößweinsteiner Orgel auch- über zwei geteilte Orgelkästen verfügen sollte. Somit konnte das Westfenster in Zukunft frei bleiben und Licht spenden. Engelhard Herrmann reiste mit dem Auftrag in der Tasche zurück nach Stöckach und zeichnete und entwarf die Orgel. Bereits am 18. Mai 1834 schickte er dann seinen Riß zur Orgel nach Oberailsfeld und bittet um sofortige Mitteilung, sobald vorgelegte Zeichnung samt Kostenanschlag genehmigt wurde.

Juni 1834     Antrag auf Genehmigung zum Neubau der Orgel
Bei seiner Eingabe an die königl. Regierung des Ober-Mainkreises vom 25. Juni 1834 berichtet Pfarrer Held in seinem ausführlichen Begleitschreiben über die haltlose, Situation mit der alten, völlig ruinösen und minderwertigen Orgel. Unter Beilegung des bereits mit Engelhard Herrmann abgeschlossenen Orgelvertrages und dessen nun vorliegender Orgelentwurfszeichnung bittet er um die Genehmigung dieses Vorhabens, zumal die Finanzierung dieses Projektes als gesichert galt. Leider konnte der Orgelriß des Engelhard Herrmann bisher nicht gefunden werden.

Februar 1835     Genehmigung zum Bau der Orgel
Nach vorhergehender Prüfung durch das Kreisbaubüro, das Bedenken zur technischen Konstruktion hinsichtlich der Teilung der Orgelgehäuse äußerte, wurde dann endlich am 10. Februar 1835 durch das königliche Landgericht Hollfeld die Genehmigung zum Bau der Orgel nach dem vorgelegten Plan und Vertrag erteilt und dabei nochmals auf die Bedenken des Kreisbaubüros hingewiesen. Nach Erhalt dieses Erlaubnisbescheides schickte die Kirchengemeinde Oberailsfeld noch am selben Tage, dem 10. Februar 1835, eine entsprechende Mitteilung hierüber an den Orgelbauer Herrmann unter Beilegung des Orgelmses, "damit Sie an dem schon angefangenen Orgelwerke ohne weiteres Hinderniß fortarbeiten können."

1836 undatiert     Vertrag mit Bauer Georg Fuchs für Transport der neuen Orgel
Im Jahre 1835 wurde mit dem Bauer Georg Fuchs aus Eichenbirkig ein Vertrag geschlossen zur Abholung der neuen Orgel aus Stöckach bei Hofheim in Unterfranken. Dieser Vertrag liegt uns leider nicht vor. Wir kennen diese Begebenheit nur aus Verhandlungen zwischen Bauer Fuchs und der Kapellenstiftung Rabeneck, bei der es um eine Schuld und Gegenschuld ging. Diesbezüglich wurde 1851 ein Protokoll erstellt, in dem dieser Georg Fuchs, Bauer aus Eichenbirkig, zur Nachforderung von 28 fl wegen Mehraufwandes beim Orgeltransport unter anderem erklärte:
"er habe im Jahre 7835 mit der Kirchenverwaltung Oberailsfeld einen Accord abgeschlossen, die neue Orgel in der dasigen Kirche von Orgelbauer Hermann zu Stöckach Ldg. Hofheim in Unterfranken abzuholen und es sei ihm hierfür 60 fl zugesichert worden, welche er auch erhalten habe. Indessen habe man sich der Entfernung der Orte Oberailsfeld und Stöckach geirrt, ferner sei ihm von der Kirchenverwaltung ein Schaffer beizugeben versprochen worden, was nicht geschehen sey, endlich sey bei seiner Ankunft in Stöckach der Orgelbauer Herrmann krank gewesen, so daß er mit 6 Pferden und 3 Wägen und 4 Mann wegen dessen Krankheit und selbigen Irrthums in der Entfernung drei volle Tage länger gebraucht habe, als nach dem eingegangenen Accord vorgesehen war." Aus den nachfolgenden Ereignissen kann geschlossen werden, dass der 1835 verakkordierte Transport erst im Sommer 1836 nach Abbau der alten Orgel erfolgt sein dürfte.

Januar 1836     Vorbereitungen zur Aufstellung der neuen Orgel
Vom 27. Januar 1836 liegt eine Quittung vor "über Tüncher und Schlosser Arbeit respit: die neu=zuerbauente Orgel alldort betr."
Für diese Arbeiten wurden dem Maurermeister Georg Schweßinger vom Stiftungspfleger Neuner 45 kr in bar ausbezahlt. Diese kleine Quittung zeigt uns, dass mit den Vorbereitungen zur Aufstellung der Orgel bereits begonnen worden war und die damit entsprechend notwendigen Arbeiten im Emporenbereich erfolgten.

Mai 1836     Versteigerung und Verkauf der alten Orgel nach Pretzfeld
lm April und Mai 1836 wurden von der Kirchenverwaltung Oberailsfeld im "Königlich Bayerischen Intelligenzblatt für den Obermainkreis" Inserate geschaltet, in denen die Versteigerung der alten Oberailsfelder Orgel öffentlich bekannt gemacht wurde. Diese Inserate enthielten auch die genaue Dispositionsangabe. Die Versteigerung sollte am 23. Mai 1836 "in dem Dauthischen Wirthshause allda" stattfinden. Durch das erhaltene Versteigerungsprotokoll wissen wir, dass nach dem gesetzten Einstiegspreis von 50 fl die Gemeindevertreter der Volsbacher und Pretzfelder gegenseitig den Preis hochgetrieben haben, bis dann bei 120 fl die Pretzfelder den Zuschlag bekamen. Nach den gesetzten Bedingungen sollte das alte Werk innerhalb 2 Wochen abgeholt und dabei der Kaufpreis in bar erbracht werden. Die Einnahme von 120 fl wurde in der Rechnung der Kirchenstiftung Oberailsfeld pro 1835/36 verbucht - leider ist dort kein Beleg mit Datum eingebunden, sodass uns der Zeitpunkt des Abbaus und Abholung der alten Orgel nicht bekannt ist.

5. Juni 1836     Tod des Johann Georg Herrmann
Für den selbst bereits schwerkranken Engelhard Herrmann dürfte der Tod seines 5 Jahre älteren Bruders Johann Georg, der sicherlich am Bau der Oberailsfelder Orgel beteiligt war, ein schwerer Schlag gewesen sein. Danach dürften die Arbeiten noch schleppender von statten gegangen sein, hatte Engelhard Herrmann doch vertraglich die Lieferung des Werkes innerhalb eines Jahres versprochen, wonach dieses eigentlich schon Ende 1835 hätte fertig sein müssen.

Gehäuse: zwei dreiteilige Prospektkästen nach dem Bamberger Modell mit gitterförmigen Schleier- und Lorbeergehängen
Stimmtonhöhe: a1= 437 Hz (15 °C)
Temperatur (Stimmung): gleichschwebend
Windladen: Schleifladen
Winddruck 70 mm WS
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: mechanisch
Registeranzahl: 16
Manuale: 2, C–f3
Pedal: C–f0
Spielhilfen, Koppeln: Manualschiebekoppel II/I, "Pedal=Cuppel"[2]



Disposition[3]

I. Manual II. Manual Pedal
Principal 8' [4]

° Gemshorn 8'

° Gedackt 8'

° Flautravers 8'

Gamba 8' [5]

° Octav 4'

° Coppel=Flaute 4'

° Quint 3'

° Mixtur 6f. 2' [6]

° Bordun 8'

° Salicional 8'

Piffara 8' (ab f0)[7]

° Flaute 4'

° Flagionett 2'

° Violon=Baß 16'

° Principal=Baß 8'


Anmerkungen

°: alt, 1836

  1. Rekonstruktion Manualschiebekoppel II an I, Neuanfertigung Pedalklaviatur nach Vorbild Herrmann, Spieltischrekonstruktion 2018/19 mit neuen Klaviaturen nach Vorbild Herrmann, Wiederherstellung einer "harten" Lagerung Metall in Holz bei allen Mechanikwellen
  2. historisch als "Abschaltzug" eingerichtet, unbetätigt ist eine starre Pedalkoppel I+II/P in Funktion
  3. Bezeichnung der Register in Anlehnung an die Auflistung im Vertrag von 1834
  4. 1970 Prospektpfeifen C-cs0 / d0-e3 2017/19 neu
  5. 2017/19 neu nach Vorbild Herrmann
  6. 1836, 2 fehlende Chöre 2017/19 ergänzt
  7. vermutl. 1875 von P. Götz, Staubershammer



Disposition 1971–2017

I Hauptwerk II Hinterwerk Pedal
Principal 8'

Gemshorn 8'

Gedackt 8'

Flöte 8'

Octave 4'

Kornettflöte 4'

Quinte 2 2/3'

Octave 2'

Mixtur 4f 2'

Bordun 8'

Salicional 8'

Biffra 8' (ab f°)

Flauto 4'

Flageolett 2'

Violonbaß 16'

Principalbaß 8



Bibliographie

Anmerkungen: Schwerpunkte der Restaurierungsarbeiten 2017/19 (Auszug):

Reinigung sämtlicher Orgelteile inkl. Schimmelbekämpfung
Überarbeitung der gesamte Windanlage mit Restaurierung des Doppelfaltenmagazinbalges von 1926 und Einbau eines neuen Orgelwindgebläses
Restaurierung des Metall- und Holzpfeifenwerks
Restaurierung / Rekonstruktion der Windladen der Manuale und des Pedals
Überarbeitung der Ton- und Registertraktur mit Verbesserung der Gängigkeit
Überarbeitung des Spieltisches: Neuanfertigung der Manualklaviaturen I+II, neue Pedalklaviatur und Rekonstruktion der Registerschilder
Pfeifenbau / Intonation / Stimmung: Wiederherstellung der originalen Disposition und Klanglichkeit mit Neuanfertigung / Rekonstruktion Gamba 8', neue Prospektpfeifen mit Rekonstruktion / Korrektur der Pfeifenfußlängen und Ergänzung der 6-fachen Mixtur


Zur Restaurierung der Engelhard Herrmann- / Johann Fr. Heidenreich-Orgel von Oberailsfeld
(Quelle: Festschrift; Verfasser: OBM Andreas Hemmerlein, mit freundlicher Genehmigung)

Schon während meiner Lehrzeit besorgte ich mir Fachliteratur zum Orgelbau und so eignete ich mir auch nach der Freisprechung 1986 zum Orgelbauergesellen bald ein Exemplar des 1985 erschienenen Bandes "Historische Orgeln in Oberfranken" der beiden Autoren Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas an. Aus dem umfangreichen Register dieses Buches sind auswahlweise historische Orgeln im Foto abgebildet und beschrieben. Besonders interessant sind dabei auch die detaillierten, mit Quellenangaben versehenen Erläuterungen zu deren Werdegang durch die Jahrhunderte mit Reparaturen, Erweiterungen, Umbauten oder auch Beseitigung der Werke durch Neubauten, bei denen nur noch das alte Gehäuse erhalten blieb.

So war mir über das Studium dieses Bildbandes, der wegen seines umfassenden Registers nach wie vor ein unverzichtbares Nachschlagewerk darstellt, die historische Orgel von Oberailsfeld 'vertraut'. Speziell zur Oberailsfelder Orgel fallen jedoch die Angaben zu deren Werdegang recht spärlich aus: Genannt wird der Erbauer Engelhard Herrmann, der bei der Aufstellung seines Werkes vor Ort in Oberailsfeld verstarb. Fertig gebaut hat die Orgel dann Joh. Fr. Heidenreich aus Bayreuth - dann wird nur noch die Restaurierung von 1971 durch die Fa. Orgelbau Hoffmann aus Ostheim erwähnt. Was dazwischen geschah, war nicht bekannt und nicht erforscht.

Als ich vor nun fast acht Jahren im Dezember 2011 durch den Orgelsachverständigen und Domorganisten Herrn Prof. Markus Willinger angefragt wurde, für die Oberailsfelder Orgel einen Kostenanschlag für eine Restaurierung abzugeben, war ich darüber sehr erfreut. Bei einem ersten Besuch Anfang 2012 war ich überwältigt von der Weite des Kirchenraums mit der großartigen Emporenanlage und der darüber thronenden Orgel. Bei den anschließenden Untersuchungen zeigte sich, dass von der originalen Substanz tatsächlich sehr viel erhalten geblieben ist. Dies war umso überraschender und erfreulich, wurde doch 1970 von Orgelbau Hoffmann - also nur ein Jahr vor deren Wirken in Oberailsfeld - die noch erhaltene 2-manualige Haueisen-Orgel von 1794 in der ev. Kirche zu Scherneck fast vollständig ihrer historischen Substanz entledigt. Dort findet sich keine einzige alte Pfeife mehr...

Aber auch die Oberailsfelder Orgel musste 1971 "Federn lassen": im Pfeifenwerk wurde das noch originale Register Gamba 8' durch eine neue Octave 2' ersetzt und auch die Prospektpfeifen des Principal 8', dabei auch die noch originalen Herrmann-Pfeifen der Rundtürme, die kurioserweise die Beschlagnahme von 1917 überlebt hatten. Auch wurden die Manual-und Pedalklaviaturen neu gebaut, eine neue Orgelbank gefertigt, alle Windladen verändert (Pulpetenbretter, Schleifendichtungen) und Änderungen in der Lagerung der Mechanikwellen vorgenommen.

Außer diesen Verlusten an originaler Substanz konnten aber noch andere Veränderungen festgestellt werden, die nicht den Arbeiten von 1971 zuzurechnen sind: die originalen 3 Keilbälge fehlten und waren durch einen großen Magazinbalg ersetzt, die ursprünglich 6-fache Mixtur war auf 4 Chöre reduziert und die Pfeifen von Piffara 8' waren mit historischen Pfeifen besetzt, die jedoch sicher nicht von Herrmann stammten. Auch die farbigen Registerschildchen aus Porzellan waren offensichtlich nicht mehr original.

Neben diesen Feststellungen zum historischen Bestand war natürlich auch der Gesamtzustand der Orgel zu erfassen und zu beurteilen. Neben der starken Verschmutzung -u.a. durch Fledermauskot- fanden wir massiven Schimmelbefall in nahezu allen Bereichen des Instruments. Die Spielbarkeit war durch mehrere Heuler kaum mehr gegeben und die Trakturen waren extrem schwergängig und zäh. · Zudem war die Orgel stark verstimmt und der Klang der einzelnen Register stark eingeschränkt, was auch auf die enormen Beschädigungen des Pfeifenwerkes zurückzuführen war. Kurz gesagt: die Orgel war fast unspielbar und hatte einen desolaten Zustand erreicht.

Wie nun mit diesem relativ gut erhaltenen, jedoch stark beschädigten und teilweise veränderten Instrument umgehen: Nur eine Reinigung mit Reparatur oder vielleicht eine große Restaurierung mit rekonstruktiven Maßnahmen der veränderten Bereiche? Vor der Abgabe eines Kostenanschlages fragte ich mich daher: wie haben denn die veränderten Bereiche vorher ausgesehen, und von wem, wann und warum wurden diese Veränderungen denn ausgeführt?

Da es zum Leben und Wirken des Orgelbauers Engelhard Herrmann außer dem kurzen Eintrag im "Lexikon süddeutscher Orgelbauer" von H. Fischer / Th. Wohnhaas keine Ausführungen gab, habe ich zusammen mit dem Orgelforscher Herrn Hermann Fischer / Aschaffenburg, dem ich an dieser Stelle sehr für seine unermüdliche Mithilfe herzlich danke - eine Zusammenstellung aller bekannten Arbeiten des Engelhard Herrmann und seines Vaters Kasper Herrmann vorgenommen. Neben zahlreichen Reparaturen und Umbauten hat diese Orgelbauerfamilie mindestens 9 bisher nachweisbare Orgelneubauten erstellt. Davon sind drei vernichtet, von zweien nur noch die Prospektfronten vorhanden und immerhin vier Instrumente sind - in unterschiedlichen Erhaltungszuständen bewahrt, darunter auch die Oberailsfelder als letztes Werk.

Die erhalten Instrumente von Handthal (um 1811), Brück (um 1830/35) und Walchenfeld (1831) wurden von uns 2013/14 untersucht, um deren Bauweise mit der von Oberailsfeld zu vergleichen. Dabei konnten wir den unverkennbaren Stil der Orgelbaufamilie Herrmann kennenlernen. Dabei stach die bis in kleinste Konstruktionsdetails unverändert erhaltene Orgel der ev. Kirche zu Walchenfeld hervor. Die dort in 2014 noch völlig original erhaltenen Pedal-und Manualklaviaturen, Pulpetenbretter und Pfeifen der Gamba 8' sollten uns als authentische Vorbilder bei den Rekonstruktionen für Oberailsfeld eine wertvolle Hilfe sein.

Neben dieser Spurensuche an erhaltenen Herrmann-Orgeln führten wir auch eine aufwändige Aktenrecherche durch. Über unsere Funde im Staatsarchiv Bamberg, im Archiv des Erzbistum Bamberg, im Firmenarchiv Steinmeyer und auch vor Ort in Oberailsfeld in den dort im alten Schulhaus lagernden Protokollbüchern der Kirchenverwaltung, konnten wir die bewegte Geschichte der Orgel fast lückenlos dokumentieren. Ganz wichtig war hierbei die Auffindung des im Staatsarchiv Bamberg lagernden Bauvertrages von 1834 zwischen E. Herrmann und der Oberailsfelder Gemeinde. Über diese chronologische Aktenzusammenstellung, in der alle Dokumente in Maschinenschrift tanskribiert wurden, und dem Abgleich mit den Befunden am Instrument konnten der ursprüngliche Zustand erkannt und alle nachfolgenden Arbeiten und Veränderungen den jeweiligen Orgelbauern im zeitlichen Ablauf zugeordnet werden.

Basierend auf diesen Vorarbeiten mit gesicherten Erkenntnissen haben wir im April 2015 zwei unterschiedliche Kostenanschläge vorgelegt mitsamt den Archivauswertungen und der vorläufigen Werkliste zur Orgelbauerfamilie Herrmann. Bei der kleineren Variante sollte die Orgel in ihrem Grundbestand gereinigt, solide überarbeit und restauriert werden. Die große Variante sah ebenfalls die Reinigung, Sicherung und überarbeitung des Grundbestandes vor, darüber hinaus wurden nun auch rekonstruktive Maßnahmen für die veränderten Bereiche vorgeschlagen.

Die Kirchengemeinde entschied sich für die große Lösung: eine grundlegende Restaurierung mit Rekonstruktion der veränderten Bereiche, um dem Originalzustand von 1834/37 möglichst nahe zu kommen. Diese Entscheidung wurde auch durch das beteiligte Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und von seiten des Orgelsachverständigen mitgetragen und befürwortet. Lediglich der Nachbau der fehlenden drei Keilbälge sollte aus Kostengründen nicht ausgeführt werden und die Orgelbank von 1971 sollte bleiben.

Nach der Vergabe des Auftrages an meine Werkstatt noch in 2015 begannen dann die Arbeiten im September 2017 mit dem vollständigen Ausbau und der Schimmelreinigung aller Orgelteile. Lediglich das Gehäuse blieb vor Ort stehen. Bis auf die großen Violon-16'-Pfeifen wurden alle Orgelteile in die Werkstatt nach Cadolzburg transportiert. Hier begannen dann die aufwändigen Arbeiten, bei der die Erhaltung der originalen Substanz oberstes Gebot war - es handelt sich ja um ein denkmalwertes Instrument. Zum anderen wurden große Anstrengungen unternommen, um die veränderten Bereiche möglichst originalgetreu wiederherzustellen. Das bedeutete ständige Spurensuche an den Originalteilen und Vergleiche mit den erhaltenen Herrmann-Orgeln. Hier spielte - wie bereits erwähnt - die E. Herrmann-Orgel von Walchenfeld eine ganz entscheidende Rolle. Daher wurde dieses Instrument von uns nochmals besucht und die notwendigen Maßaufnahmen vorgenommen. Zudem wurde ein Werkstatttermin vereinbart und am 27.03.2018 trafen sich Vertreter der Kirchengemeinde, Herr Prof. Willinger als Orgelsachverständiger und Herr Dr. Könner als Vertreter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Es wurden hierbei sämtliche Orgelteile begutachtet und alle offenen Fragen besprochen. Beispielsweise konnte die offene Frage Manualkoppel ja/nein auf Grund der Befunde nun an den noch originalen Klaviaturbacken eindeutig geklärt werden. Im Vertrag von 1834 nur als "Manual Cuppel" bezeichnet, konnte diese nur als Schiebekoppel ausgeführt gewesen sein und dies wurde durch Riefen auf den Oberseiten der glücklicherweise erhaltenen Klaviaturbacken eindeutig bestätigt.

Für die Wiederherstellung der zuletzt fehlenden Manualkoppel als sogenannte "Schiebekoppel" wurde nach aufwändigen Konstruktionsarbeiten am Computer ein Modell im Maßstab 1:1 gefertigt. Hierdurch konnten wir am Objekt noch letzte Verbesserungen in den Details festlegen und somit ein optimales Ergebnis bei der Neuherstellung der beiden Manualklaviaturen und den Einrichtungen zur Schiebekoppel erreichen.

Nach Abschluss der fast ein ganzes Jahr dauernden Werkstattarbeiten erfolgte ab November 2018 nach und nach zunächst der technische Wiederaufbau der Orgel vor Ort. Teilweise parallel hierzu konnten auch schon Innenpfeifen eingebaut und die neuen, rekonstruierten und die renovierten Prospektpfeifen angehängt werden. Ab Januar 2019 begannen dann die Intonations- und Stimmarbeiten bei einem Winddruck von 70 mm WS, statt den 85 mm WS vor der Restaurierung. Dieser deutlich niedrigere Winddruck konnte bereits bei den Vorarbeiten am Pfeifenwerk in der Werkstatt nach aufwändigen Versuchen an den originalen Pfeifen als idealer Winddruck ermittelt werden. Zunächst wurden die original erhaltenen Pfeifenreihen des I. Manuals bearbeitet und die Stimmtonhöhe dann endgültig auf 437 Hz bei 15° C festgelegt bei gleichschwebender Temperierung als Stimmungsart. Dann konnten auch die neuen Pfeifen der Gamba 8' und des Principal 8' im Klang an die Originalregister angepasst werden. Die Arbeiten am Pfeifenwerk werden wohl noch bis kurz vor der Einweihung andauern...

Ich wünsche der Kirchengemeinde Oberailsfeld, den dort tätigen Organisten/innen und allen Besuchern der Oberailsfelder Kirche viel Freude am Klang der restaurierten Herrmann-Heidenreich-Orgel von 1834/37. Sie steht meiner Einschätzung nach wegen ihres Erhaltungsgrades und ihrer eigentümlichen Konstruktionsdetails in der Orgellandschaft Oberfrankens unter den historischen Orgeln der 1. Hälfte des 19ten Jahrhunderts ohne Vergleich da und ist daher ein Klang-und Technikdenkmal ersten Ranges.

Auch danke ich allen Verantwortlichen für das in meine Orgelbauwerkstatt gesetzte uneingeschränkte Vertrauen, diese verantwortungsvolle Aufgabe der Restaurierung in meine Hände zu legen. Zudem wurde zu keiner Zeit Druck ausgeübt, als sich nun die Arbeiten länger als gedacht hingezogen haben und so danke ich auch für die große Geduld der Oberailsfelder. Zahlreiche Mitglieder der Kirchengemeinde halfen mehrmals bei den schweren Arbeiten mit wie beim Aus- und Wiedereinbau des Magazinbalges und so auch bei den schweren Manualwindladen. An dieser Stelle daher auch mein Dank an alle lieben Helfer. Auch kamen immer wieder Besucher auf die Empore und zeigten reges Interesse an den Arbeiten. An dieser Stelle sende ich auch meinen ganz herzlichen Dank an meine treuen Mitarbeiter, die mit unermüdlichem Fleiß, Hingabe und viel Gefühl das Gelingen dieser aufwändigen und anstrengenden Restaurierung ermöglicht haben.

Oberailsfeld, den 11.02.2019
Orgelbaumeister Andreas Hemmerlein


Projektbeteiligte:
Kath. Kirchengemeinde St. Burkard Oberailsfeld und Kirchenverwaltung
OSV Domorganist Prof. Markus Willinger, Bamberg
Dr. Nikolaus Könner, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München
Orgelbau & Restaurierung OBM Andreas Hemmerlein, Cadolzburg

Fördermittel:
Oberfranken-Stiftung, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Erzbistum Bamberg, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, bayerische Landesstiftung, Landkreis Bayreuth, Gemeinde Ahorntal, Stadt Waischenfeld, Stiftung der Sparkasse Bayreuth, Dorfgemeinschaft Oberailsfeld (Orgelsparbuch ab Mitte der 90er Jahre), weitere Gruppierungen, Vereine und Einzelpersonen

Literatur: Kirchenverwaltung Oberailsfeld (Hrsg.): Festschrift Segnung der restaurierten E. Herrmann / J. F. Heidenreich-Orgel von 1834/1837 durch H. Hr. Erzbischof Dr. Ludwig Schick am 23. Februar 2019 um 17.00 Uhr in der Pfarrkirche St. Burkard Oberailsfeld. 85 Seiten, Auslage in der Kirche (Spende)

Fischer, Wohnhaas: Historische Orgeln in Oberfranken. Schnell & Steiner, 1985

Weblinks: Seiten des Pfarreienverbundes

Private Seiten zu Dorf, Kirche und Orgel

Eintrag bei orgbase.nl

Bilder bei Wikimedia Commons

Eintrag bei kirchbau.de

Deutsche Stiftung Denkmalschutz: Wertvolles Instrument aus dem 19. Jahrhundert

Zeitungsartikel: Wertvolle Oberailsfelder Orgel wird aufwändig restauriert - Oberailsfeld: Die Substanz der Orgel erhalten - Langer Applaus für historische Oberailsfelder Orgel