Dresden, Kulturpalast: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 21. Oktober 2019, 17:20 Uhr


Orgelbauer: Hermann Eule Orgelbau GmbH Bautzen, op.686
Baujahr: 2017
Geschichte der Orgel: Der Kulturpalast Dresden ist ein modernistischer DDR-Bau des Architekten Wolfgang Hänsch. Er wurde 1969 eröffnet und hatte den größten Mehrzwecksaal der Stadt Dresden, der für Konzerte, Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen sowie Tagungen und Kongresse genutzt wurde. 1969 bekam der Konzertsaal eine fahrbare Orgel von der Orgelbauanstalt Gebrüder Jehmlich in Dresden mit 24 Registern, 2 Manualen und Pedal.

"Nach einem mehrjährigen Umbau samt Einbau eines neuen Konzertsaales wurde der Kulturpalast im April 2017 wiedereröffnet. Äußerlich blieb der Bau erhalten und in den Foyers und Treppen-aufgängen gab es wenig Veränderungen. Im Inneren wurde der Kulturpalast entkernt und ein großer Konzertsaal Typ „Weinberg“ mit ca. 1.800 Plätzen eingebaut. Auch eine neue Orgel sollte entstehen, die 2011 von einer internationalen Orgelkommission ausgearbeitet wurde. Sie sah eine Konzertorgel vor, die speziell für das typische Repertoire der Konzertsäle und Town Halls geschaffen werden sollte, wie sie seit etwa 1830 in England, Frankreich und Deutschland gebaut wurden – einschließlich der damals weit verbreiteten Transkriptionen von Opern und Orchesterkompositionen. Sie sollte sich außerdem von den großen Orgeln der Innenstadtkirchen mit meist barockem, partiell französisch-symphonischen Klang abheben und Dresden als Orgelstadt mit einer neuen Klangpalette bereichern. Außer einer ungefähren Größenvorgabe und einem Budget ließen die Orgelkommission und ihre Ausschreibung im Übrigen den anbietenden Orgelbauwerk-stätten völlige Freiheit. Für die Prospektgestaltung lagen bereits Entwürfe der Architekten des Saals vor; die Orgel-bauer sollten aber auch eigene Ideen einbringen. Die neue Eule-Orgel wurde konzipiert als Instrument mit einer besonderen Eignung für die europäische – besonders konzertante – Orgelmusik der Romantik als weitgefasster Sammelbegriff für Musik des fast gesamten 19. und des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. In dem weinbergartigen neuen Konzertsaal erhielt die Orgel einen sehr breiten und ausreichend hohen Raum hoch über dem Bühnenbereich. Dieser erlaubte die Aufstellung aller Werke neben- bzw. übereinander, sodass sie eine sehr große Klangabstrahlungsfläche haben. Ausreichend Platz für jede Pfeife und innenliegende Stimmgänge ermöglichten eine freizügige Innenanlage mit guter Klangabstrahlung in den Raum. Die für Orchesterkonzerte vor der Orgel angebrachten Schallsegel werden beim Spiel der Orgel an die Decke hinaufgezogen. Die Besetzung der großflächigen Orgelfassade nur mit Pfeifen unter Verzicht auf zusätzliche Untergliederungen war die Gestaltungsidee der Saalarchitekten, der „gmp Architekten“ aus Berlin, welche wir mit dem Motiv der teils in zwei Ebenen auf- und niederschwingenden Linien der Pfeifenlabien und -mündungen bereicherten. Sie greifen die Linien und Schwünge der weißen Wandschichten der umgebenden Ränge und Saalwände auf, als wäre die Orgel ganz natürlich in die Saalwand hineinkomponiert, und führen sie zum großen zentralen 16′- Mittelfeld (mit Überlängen), welches dadurch betont wird. Die stets unter-schiedlich wahrnehmbaren Lichtreflexionen beleben den Prospekt, aber belassen ihm die für seine immense Größe nötige Leichtigkeit, Großzügigkeit und Ruhe. Da die neue Orgel ein reines Konzertinstrument ist, entschied sich die Orgelkommission für eine rein elektrische Traktur mit einem frei im Orchesterraum stehenden fahrbaren Spieltisch.Die technische Anlage verbindet das klassische Schleif-ladensystem mit einer klimabeständigen Ausführung aus hochwertigen Mehrschichthölzern, optoelektronischen Tastenkontakten, Datenübertragung über BUS-System und einem speziell auf Dauerhaftigkeit angelegten Speicher-und Koppelsystem (Orgelelektronik System Eule, entwickelt in Kooperation mit der Hochschule für Technik in Mittweida). Außerdem verfügt die Orgel über eine eigene klimagesteuerte Belüftung, die Temperatur und Luftfeuchte in der Orgel konstant hält und sie vor Verstimmung und Schäden schützt. Die Gebläseanlage steht in einer klimatisch an den Saal angekoppelten Kammer auf dem Dachboden. Drei selbständige, verzweigte Kanalstranganlagen für Hochdruck sowie Normaldruck (rechte und linke Orgel-hälfte) transportieren den Wind von oben zu jeder einzelnen Windlade. Das Innere der Orgel ist in zwei Ebenen unterteilt. Unten steht mittig das klangführende Hauptwerk (I. Manual), flankiert auf beiden Seiten vom Pedal. In der zweiten Ebene darüber steht links das Schwellwerk (II. Manual), rechts das Récit-Orchestral (III. Manual). Diese beiden Werke stehen in Schwellkästen, dadurch ist mehr als die Hälfte der Pfeifen dynamisch beeinflussbar. An den Seiten ganz außen steht das Großpedal mit den 32′ langen Pfeifen, die über beide Ebenen reichen. Alle Teile der Orgel sind durch Laufböden und Leitern gut zugänglich. Das Haupttragwerk der Orgel ist eine Stahlkonstruktion, die in der Saalrückwand verankert ist. Darauf aufgebaut ist das Tragwerk der Windladen, Technik und Laufgänge, welches werkstatttypisch aus Massivholz gebaut wurde. All dies in dem verfügbaren Gehäusevolumen gut unterzubringen, war eine Meisterleistung des Konstrukteurs. Die Umsetzung der klanglichen Idee (Disposition) in real hörbare Klänge ist die große Kunst des Intonateurs. Chefintonateur Gregor Hieke hat mit seinem außergewöhnlichen musikalischen Gespür für die Klangwelt der orchestralen Spätromantik des englischen, amerikanischen, fran-zösischen und deutschen Orgelbaus die Mensuren für die Register speziell für die Akustik des neuen Konzertsaals ausgearbeitet und die Intonation der Pfeifen geleitet; die Zungenregister übernahm mit Johannes Adler ein exzel-lenter Spezialist für (nicht nur) englische Zungenregister.Windversorgung (3 Windmaschinen und 13 Bälge in unmittelbarer Nähe der Windladen) ermöglichen einen Raumklang, der auch im vollen Saal sich voluminös, warm, tragfähig, und kraftvoll durchsetzt, aber nicht aufdringlich oder aggressiv wird. Die Konstruktions- und Bauphase der Orgel begann nach langen Vorarbeiten 2015. Sie wurde begleitet von den Orgelsachverständigen Holger Gehring und Dr. Horst Hodick aus Dresden, die in vielen Detailfragen beratend mitwirkten. Eine Besonderheit der Orgel ist, dass sie voll-ständig (mit einem städtischen Zuschuss) vom Förderver-ein Philharmonie Dresden e. V. finanziert wurde." Auszug aus Artikel von J. Kocourek "Orchester aus Pfeifen: die neue Eule-Orgel des Kulturpalasts Dresden" in: Ars organi; 66 (2018), Heft 1 März 2018

Stimmtonhöhe: 443Hz
Temperatur (Stimmung): gleichschwebend
Windladen: Schleiflade
Spieltraktur: elektrisch
Registertraktur: elektrisch
Registeranzahl: 67 + 6 Transmissionen
Manuale: IV
Pedal: 1
Spielhilfen, Koppeln: 10 Normalkoppeln IV-I, III-I, II-I, IV-II, III-II, IV-III, I-P, II-P, III-P, IV-P –

5 Normalkoppeln Bombardenwerk an I, II, III, IV und P –

5 Superoktavkoppeln III-III, III-I, II-II, II-I, IV-P –

5 Suboktavkoppeln III-III, III-I, II-II, II-I, I-I –

Manualtausch II gegen III (Druckknopf zwischen den Manualklaviaturen) –

2 Schwelltritte (wahlweise mit Handbedienung),

Generalschweller (Schwelltrittkopplung als Tritt) –

Walze (mit 4 einstellbaren Programmen), Walze an (Tritt) –

Setzeranlage System Eule: 10.000 freie Kombinationen im offenen Bereich, zusätzlich im Nutzerbereich unbegrenzte Zahl an Nutzern mit jeweils unbegrenzter Zahl an Kombinationsfolgen zu je 1.000 Einzelkombinationen; Sequenzer vorwärts unter jedem Manual, Sequenzer vor- und rückwärts vierfach als Tritte, rechts und links außen und im Setzerschubkasten; Zahlen-, Setzer- und Rückstelltaste unter Man. I, dto. sowie übrige Setzerbedienelemente in einem Schubkasten rechts; Funktionstasten für Einfügen, Löschen, Kopieren, Lesen und Schreiben - Digitalanzeigen für Setzer, Walze und die 2 Schweller –

MIDI-Anschluss mit Aufzeichnungsfunktion in einem Schubkasten links –

Schalter für Trakturelektrik, Motor und Licht –

elektronische Stimmunterstützung



Disposition 2017

I. Hauptwerk C-aʹʹʹ II. Schwellwerk C-aʹʹʹ III. Recit-OrchestralC-aʹʹʹ Pedal C-g’ IV Solo (C-aʹʹʹ)
Principal 16´

Principal 8´

Large open Diapason 8´

Flute major 8´

Cello 8´

Erzähler 8´

Octave 4´

Hohlflöte 4´

Quinte 2 2/3´

Octave 2´

Mixtur 4–5 fach 2´

Cornet 3–5 fach 2´

Trompete 8´

Liebl. Gedackt 16´

Geigenprincipal 8´

Salicional 8’

Doppelflöte 8’

Rohrflöte 8’

Geigenoctave 4’

Flöte 4’

Nasard 2 2/3’

Flautino 2’

Terz1 3/5’

Progressio 3-5fach_2’

Cor anglais 16’

Cornopean 8’

Clarinette 8’

French Horn Transm. IV 8’

- Tremulant

Viola 16’

Principal 8’

Viol d’orchestre 8’

Concert Flute 8’

Zartgedackt 8’

Aeoline 8’

Vox coelestis ab G 8’

Quintatön 8’

Fugara 4’

Flute octaviante 4’

Octavin 2’

Viol-Cornett 3fach_3 1/5’

Plein jeu 5fach_4’

Orchestral Oboe 8’

Voix humaine 8’

- Tremulant

Grand Bourdon 32’

Open Wood 16’

Principal Transm. 1_16’

Violon 16’

Subbass Extens. 16’

Gedacktbass Transm. II_16’

Dulcianabass Transm. III_16’

Octavbass 8’

Violoncello Extens. 8’

Bassflöte Extens. 8’

Salicetbass Transm. II_8’

Bourdonbass Transm. III_8’

Octave Extens. 4’

Bassflöte Extens. 4’

Contraposaune 32’

Posaune Extens. 16’

Trompetenbass 8’

Clairon Extens. 4’

offen:

Melodia 8’

Tuba sonora 8’


im SchwellerII. Man.:

French Horn 8’


- Bombarde

(frei ankoppelbar)

im Schweller III Man.:

Bombarde 16'

Trompette harmon. 8'

Clairon harmonique 4'



Bibliographie

Literatur: Orchester aus Pfeifen : die neue Eule-Orgel des Kulturpalasts Dresden / / Kocourek, Jiří. - In: Ars organi. - Mettlach : Ges. der Orgelfreunde, ISSN 0004-2919. - Bd. 66 (2018), 1 (März), S. 39-43 : Illustrationen

"Papst" und "zweites Orchester" : die Orgel für den neugestalteten Dresdner Kulturpalast / / Gehring, Holger. - In: Musik & Kirche. - Kassel [u.a.] : Bärenreiter, ISSN 0027-4771. - Bd. 87 (2017), 5, S. 298-301

Eine neue Konzertsaalorgel für den Kulturpalast : Bauherr ist der „Förderverein der Dresdner Philharmonie“ / In: Organ. - Mainz : Schott, ISSN 1435-7941. - Bd. 20 (2017), 2, S. 50 : Illustrationen

Weblinks: Kulturpalast Dresden, Geschichte 1969-2017

Kulturpalst, Geschichte, Stadtwiki Dresden


Konzertorgel