Gernsheim, Hausorgel Clemens Matthias Wunderle: Unterschied zwischen den Versionen

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|GESCHICHTE      = Bei dieser Hausorgel handelt es sich um eine mehrteilige, umfangreiche Orgelanlage, die bis zum finalen Zustand 2025 um ein 2008 von der Firma Förster & Nicolaus erbautes, rein mechanisches Instrument herum weiterentwickelt wurde. Die gesamte Orgelanlage ist in einer Wohnung aufgestellt und kann insgesamt von einem separat stehenden Hauptspieltisch (II/P mit Setzeranlage) gespielt werden. Planung und klanglich-dispositionelle Gestaltung lagen in den Händen von Clemens Matthias Wunderle <ref>Clemens Wunderle hatte Klavierunterricht sowie Unterricht in Tonsatz und Komposition an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und legte die nebenberufliche Kirchenmusikprüfung C in Mainz ab. Er absolvierte den Ausbildungskurs für Orgelsachverständige u.a. an der Oscar-Walcker-Schule, Bundesfachschule für Orgelbau, Ludwigsburg. Auf Initiative des damaligen Mainzer Domorganisten Albert Schönberger hatte Wunderle während seines Theologiestudiums in Passau die Möglichkeit zur Hospitation an der Passauer Domorgel beim früheren Domorganisten Hans Leitner. </ref>
 
|GESCHICHTE      = Bei dieser Hausorgel handelt es sich um eine mehrteilige, umfangreiche Orgelanlage, die bis zum finalen Zustand 2025 um ein 2008 von der Firma Förster & Nicolaus erbautes, rein mechanisches Instrument herum weiterentwickelt wurde. Die gesamte Orgelanlage ist in einer Wohnung aufgestellt und kann insgesamt von einem separat stehenden Hauptspieltisch (II/P mit Setzeranlage) gespielt werden. Planung und klanglich-dispositionelle Gestaltung lagen in den Händen von Clemens Matthias Wunderle <ref>Clemens Wunderle hatte Klavierunterricht sowie Unterricht in Tonsatz und Komposition an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und legte die nebenberufliche Kirchenmusikprüfung C in Mainz ab. Er absolvierte den Ausbildungskurs für Orgelsachverständige u.a. an der Oscar-Walcker-Schule, Bundesfachschule für Orgelbau, Ludwigsburg. Auf Initiative des damaligen Mainzer Domorganisten Albert Schönberger hatte Wunderle während seines Theologiestudiums in Passau die Möglichkeit zur Hospitation an der Passauer Domorgel beim früheren Domorganisten Hans Leitner. </ref>
  
Das 2008 erstellte Instrument (II/14, Bild rechts) beruht auf Teilen des Pfeifenwerks der früheren Orgel der kath. Pfarrkirche St. Ludwig in Darmstadt (II/20), die 1955 von der Firma Förster & Nicolaus erbaut wurde und ein Geschenk der Stadt Darmstadt an die Kirchengemeinde war <ref>Die Intonation erfolgte damals durch Fritz Abend (früherer Chefintonateur der Fa. Eule). Das Abnahmegutachten des Marburger OSV Karl Fritz vom 16. Februar 1956 (vgl. Pfarrarchiv St. Ludwig, Darmstadt) bestätigt: "Die Intonation verdient vollste Anerkennung [...]. Das Pleno hat silberhellen Glanz, aber auch Kraft und Fülle [...]. Die einzelnen Register sind hervorragend in ihrer Schönheit und Charakteristik getroffen [...]". </ref> (2005 durch ein neues Werk ersetzt, s. Weblink unten). Einzelne Register bzw. Pfeifen dieser Orgel wurden vor dem Abbau zur Finanzierung des Orgelneubaus 2002 zum Verkauf angeboten. Die Zungen- und Pedalregister wurden von anderen Orgelfirmen entnommen. Der Restbestand konnte schließlich von Clemens Wunderle als Grundbestand seiner Hausorgel verwendet werden, welche er aufgrund der persönlichen Verbindung mit der Ludwigsorgel sowie mit dem früheren Organisten und Kantor von St. Ludwig, Karl-Heinz Langer, möglichst nahe an die frühere Disposition gerückt hat. Die nicht mehr vorhandenen Register der St.-Ludwig-Orgel konnten Dank der Aufgabe der Förster & Nicolaus-Orgel von 1954 aus der ev. Kirche von Wirges im Westerwald intonatorisch stimmig ergänzt bzw. in Teilen nachgefertigt werden, sodass der ursprüngliche typische Klang der Orgel von St. Ludwig nahezu unverändert erhalten ist. Als Hausorgel stellt das Instrument nun eine für sich stehende Einheit dar und besitzt - im Gegensatz zu den elektropneumatischen Kegelladen in St. Ludwig - nun ausschließlich mechanische Schleifladen. Gehäuse, Windanlage, Spieltisch und Traktur sind neu. Die Lade des Oberwerks stammt von der früheren Orgel der kath. Kirche St. Luzia und Odilia in Hesselbach. Die Hauptwerkslade stammt aus Wirges. Die Pedallade wurde neu angefertigt. Das Instrument eignet sich aufgrund seiner Disposition eher zur Wiedergabe von Musik des Barock, vermag jedoch im Zusammenspiel mit den anderen Werken auch bei romantischen oder symphonischen Kompositionen seinen schlüssigen Beitrag zu leisten. Bei der Intonation wurde, wie bereits 1955, Wert darauf gelegt, den Charakter der Stimmen gut herauszuarbeiten, so dass z.B. auch die hohen Register eher der dezenten Farbgebung dienen, anstatt aufdringlich hervorzutreten. Aufgrund der Eigenständigkeit dieser Orgel kommt ihr im Kontext aller Teilwerke der Anlage die Funktion eines Hauptinstruments zu. Die Orgel ist für sich rein mechanisch, zugleich auch vom Hauptspieltisch aus elektrisch spielbar. Die hierdurch möglichen Oktavkoppeln erweitern den Klangbestand zusätzlich und verleihen dem Instrument Gravität und Fülle.
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Das 2008 erstellte Instrument (II/14, Bild rechts) beruht auf Teilen des Pfeifenwerks der früheren Orgel der kath. Pfarrkirche St. Ludwig in Darmstadt (II/20), die 1955 von der Firma Förster & Nicolaus erbaut wurde und ein Geschenk der Stadt Darmstadt an die Kirchengemeinde war <ref>Die Intonation erfolgte damals durch Fritz Abend (früherer Chefintonateur der Fa. Eule). Das Abnahmegutachten des Marburger OSV Karl Fritz vom 16. Februar 1956 (vgl. Pfarrarchiv St. Ludwig, Darmstadt) bestätigt: "Die Intonation verdient vollste Anerkennung [...]. Das Pleno hat silberhellen Glanz, aber auch Kraft und Fülle [...]. Die einzelnen Register sind hervorragend in ihrer Schönheit und Charakteristik getroffen [...]". </ref> (2005 durch ein neues Werk ersetzt, s. Weblink unten). Einzelne Register bzw. Pfeifen dieser Orgel wurden vor dem Abbau zur Finanzierung des Orgelneubaus 2002 zum Verkauf angeboten. Die Zungen- und Pedalregister wurden vollständig von anderen Orgelfirmen entnommen. Der Restbestand konnte schließlich von Clemens Wunderle als Grundlage seiner Hausorgel verwendet werden, welche er aufgrund der persönlichen Verbindung mit der Ludwigsorgel sowie mit dem früheren Organisten und Kantor von St. Ludwig, Karl-Heinz Langer, möglichst nahe an die frühere Disposition gerückt hat. Die nicht mehr vorhandenen Register der St.-Ludwig-Orgel konnten Dank der Aufgabe einer Förster & Nicolaus-Orgel von 1954 aus der ev. Kirche von Wirges im Westerwald intonatorisch stimmig ergänzt bzw. in Teilen nachgefertigt werden, sodass der ursprüngliche typische Klang der Orgel von St. Ludwig nahezu unverändert erhalten ist. Als Hausorgel stellt das Instrument nun eine für sich stehende Einheit dar und besitzt - im Gegensatz zu den elektropneumatischen Kegelladen in St. Ludwig - nun ausschließlich mechanische Schleifladen. Gehäuse, Windanlage, Spieltisch und Traktur sind neu. Die Lade des Oberwerks stammt von der früheren Orgel der kath. Kirche St. Luzia und Odilia in Hesselbach. Die Hauptwerkslade stammt aus Wirges. Die Pedallade wurde neu angefertigt. Das Instrument eignet sich aufgrund seiner Disposition eher zur Wiedergabe von Musik des Barock, vermag jedoch im Zusammenspiel mit den anderen Werken auch bei romantischen oder symphonischen Kompositionen seinen schlüssigen Beitrag zu leisten. Bei der Intonation wurde, wie bereits 1955, Wert darauf gelegt, den Charakter der Stimmen gut herauszuarbeiten, so dass z.B. auch die hohen Register eher der dezenten Farbgebung dienen, anstatt aufdringlich hervorzutreten. Aufgrund der Eigenständigkeit dieser Orgel kommt ihr im Kontext aller Teilwerke der Anlage die Funktion eines Hauptinstruments zu. Die Orgel ist für sich rein mechanisch, zugleich auch vom Hauptspieltisch aus elektrisch spielbar. Die hierdurch möglichen Oktavkoppeln erweitern den Klangbestand zusätzlich und verleihen dem Instrument Gravität und Fülle.
  
 
Die anderen, ausschließlich elektrisch gesteuerten Teilwerke, sind nur über den Hauptspieltisch spielbar und besitzen Einzeltonladen mit Ventilscheibenmagneten. Sie wurden sukzessiv ergänzt durch Förster & Nicolaus, Lich (Bombardwerk); Orgelbau Berghöfer, Marburg (Fernwerk und Trompeteria) und Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth (Subbass und Chorpositiv). Die Register dieser Werke sind durchweg qualitativ hochwertig und zum überwiegenden Teil aus Dispositionsänderungen oder der Aufgabe von Instrumenten übrig geblieben. Einige Register bzw. Teilregister wurden auch neu angefertigt. Auf eine besondere bzw. interessante Herkunft einzelner Register wird in den Fußnoten hingewiesen. Der Spieltisch stammt von einer Kirchenorgel und wurde entsprechend angepasst. Ein derart komplexes System erfordert eine umfangreiche Steuerungstechnik. Entwicklung und Einbau der Steuerung mitsamt der Überarbeitung des Spieltischs lagen in den Händen der Firma Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg.
 
Die anderen, ausschließlich elektrisch gesteuerten Teilwerke, sind nur über den Hauptspieltisch spielbar und besitzen Einzeltonladen mit Ventilscheibenmagneten. Sie wurden sukzessiv ergänzt durch Förster & Nicolaus, Lich (Bombardwerk); Orgelbau Berghöfer, Marburg (Fernwerk und Trompeteria) und Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth (Subbass und Chorpositiv). Die Register dieser Werke sind durchweg qualitativ hochwertig und zum überwiegenden Teil aus Dispositionsänderungen oder der Aufgabe von Instrumenten übrig geblieben. Einige Register bzw. Teilregister wurden auch neu angefertigt. Auf eine besondere bzw. interessante Herkunft einzelner Register wird in den Fußnoten hingewiesen. Der Spieltisch stammt von einer Kirchenorgel und wurde entsprechend angepasst. Ein derart komplexes System erfordert eine umfangreiche Steuerungstechnik. Entwicklung und Einbau der Steuerung mitsamt der Überarbeitung des Spieltischs lagen in den Händen der Firma Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg.
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Version vom 29. November 2025, 09:42 Uhr


Hauptorgel, Gesamtansicht
Hauptorgel, Innenansicht (links HW, rechts OW, Mitte P)
Hauptorgel, Seitenansicht
Hauptorgel, mechanische Spielanlage
Orgelbauer: Förster & Nicolaus, Lich • Berghöfer, Marburg • Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth • Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg. Die Zungenstimmen wurden z.T. überarbeitet durch die Fa. Killinger Pfeifen, Freiberg am Neckar.
Baujahr: 1955 / 2008 / 2025 (Fertigstellung und Anschluss von Subbass und Chorpositiv)
Geschichte der Orgel: Bei dieser Hausorgel handelt es sich um eine mehrteilige, umfangreiche Orgelanlage, die bis zum finalen Zustand 2025 um ein 2008 von der Firma Förster & Nicolaus erbautes, rein mechanisches Instrument herum weiterentwickelt wurde. Die gesamte Orgelanlage ist in einer Wohnung aufgestellt und kann insgesamt von einem separat stehenden Hauptspieltisch (II/P mit Setzeranlage) gespielt werden. Planung und klanglich-dispositionelle Gestaltung lagen in den Händen von Clemens Matthias Wunderle [1]

Das 2008 erstellte Instrument (II/14, Bild rechts) beruht auf Teilen des Pfeifenwerks der früheren Orgel der kath. Pfarrkirche St. Ludwig in Darmstadt (II/20), die 1955 von der Firma Förster & Nicolaus erbaut wurde und ein Geschenk der Stadt Darmstadt an die Kirchengemeinde war [2] (2005 durch ein neues Werk ersetzt, s. Weblink unten). Einzelne Register bzw. Pfeifen dieser Orgel wurden vor dem Abbau zur Finanzierung des Orgelneubaus 2002 zum Verkauf angeboten. Die Zungen- und Pedalregister wurden vollständig von anderen Orgelfirmen entnommen. Der Restbestand konnte schließlich von Clemens Wunderle als Grundlage seiner Hausorgel verwendet werden, welche er aufgrund der persönlichen Verbindung mit der Ludwigsorgel sowie mit dem früheren Organisten und Kantor von St. Ludwig, Karl-Heinz Langer, möglichst nahe an die frühere Disposition gerückt hat. Die nicht mehr vorhandenen Register der St.-Ludwig-Orgel konnten Dank der Aufgabe einer Förster & Nicolaus-Orgel von 1954 aus der ev. Kirche von Wirges im Westerwald intonatorisch stimmig ergänzt bzw. in Teilen nachgefertigt werden, sodass der ursprüngliche typische Klang der Orgel von St. Ludwig nahezu unverändert erhalten ist. Als Hausorgel stellt das Instrument nun eine für sich stehende Einheit dar und besitzt - im Gegensatz zu den elektropneumatischen Kegelladen in St. Ludwig - nun ausschließlich mechanische Schleifladen. Gehäuse, Windanlage, Spieltisch und Traktur sind neu. Die Lade des Oberwerks stammt von der früheren Orgel der kath. Kirche St. Luzia und Odilia in Hesselbach. Die Hauptwerkslade stammt aus Wirges. Die Pedallade wurde neu angefertigt. Das Instrument eignet sich aufgrund seiner Disposition eher zur Wiedergabe von Musik des Barock, vermag jedoch im Zusammenspiel mit den anderen Werken auch bei romantischen oder symphonischen Kompositionen seinen schlüssigen Beitrag zu leisten. Bei der Intonation wurde, wie bereits 1955, Wert darauf gelegt, den Charakter der Stimmen gut herauszuarbeiten, so dass z.B. auch die hohen Register eher der dezenten Farbgebung dienen, anstatt aufdringlich hervorzutreten. Aufgrund der Eigenständigkeit dieser Orgel kommt ihr im Kontext aller Teilwerke der Anlage die Funktion eines Hauptinstruments zu. Die Orgel ist für sich rein mechanisch, zugleich auch vom Hauptspieltisch aus elektrisch spielbar. Die hierdurch möglichen Oktavkoppeln erweitern den Klangbestand zusätzlich und verleihen dem Instrument Gravität und Fülle.

Die anderen, ausschließlich elektrisch gesteuerten Teilwerke, sind nur über den Hauptspieltisch spielbar und besitzen Einzeltonladen mit Ventilscheibenmagneten. Sie wurden sukzessiv ergänzt durch Förster & Nicolaus, Lich (Bombardwerk); Orgelbau Berghöfer, Marburg (Fernwerk und Trompeteria) und Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth (Subbass und Chorpositiv). Die Register dieser Werke sind durchweg qualitativ hochwertig und zum überwiegenden Teil aus Dispositionsänderungen oder der Aufgabe von Instrumenten übrig geblieben. Einige Register bzw. Teilregister wurden auch neu angefertigt. Auf eine besondere bzw. interessante Herkunft einzelner Register wird in den Fußnoten hingewiesen. Der Spieltisch stammt von einer Kirchenorgel und wurde entsprechend angepasst. Ein derart komplexes System erfordert eine umfangreiche Steuerungstechnik. Entwicklung und Einbau der Steuerung mitsamt der Überarbeitung des Spieltischs lagen in den Händen der Firma Andreas Seul, Orgel- und Spieltischbau, Hüttenberg.

Das Bombardwerk ist naturgemäß ausdrucksstark angelegt. Die Bombarde 16' bringt das nötige Fundament, während die Tromp. harmonique 8' selbstbewusst führt. Die Trompeteria ist vergleichbar mit spanischen Trompeten (hier vertikal aufgestellt) in enger Mensur. Dieses Werk klingt schmetternd-frisch und kräftig. Das Fernwerk ist deutlich der Romantik gewidmet. Die dort vorhandene Schwebung trägt wesentlich zur Prägung bei. Die beiden Zungen fügen sich passend ein und dienen sowohl dem solistischen Spiel als auch dem Gesamtklang. Das Chorpositiv unterstützt mit dem Holzprinzipal und den Flöten eine warme und angenehme Grundtönigkeit. Es bietet mit der "Vox Mirabilis" zusätzlich ein durchaus unkonventionelles Nonenkornett. Die Unda Maris 8' (Meereswoge) stellt eine weitere und seltene Charakterstimme dar. Um der Gesamtkonzeption das nötige Fundament zu verleihen, verfügt die Orgelanlage neben dem zur Hauptorgel gehörenden und auf diese intonierten Untersatz 16' zusätzlich über einen selbständigen Subbass 16' auf 85 mmWs, aus welchem akustisch auch ein 32' gebildet werden kann. Im Zusammenspiel aller Orgelwerke eröffnet sich ein beeindruckendes Klangerlebnis, aus welchem sich vielfältige Möglichkeiten zur Improvisation und zur Wiedergabe einer großen Bandbreite der Orgelliteratur ergeben.

Hauptorgel, Chorpositiv und Trompeteria befinden sich in einem Raum, in welchem auch der Hauptspieltisch seinen Platz hat. Fern- und Bombardwerk sowie der Subbass 16' sind in einem anderen Raum aufgestellt. Insgesamt besitzt die Orgelanlage 28 klingende Register nebst zweier Effektregister. Mithilfe der Auszüge auf den Einzeltonladen werden darüber hinaus insgesamt 35 Register gewonnen. Die Hauptorgel ist von einem Gehäuse umgeben. Bei den übrigen Werken sind die Register frei sichtbar auf den Laden angeordnet.

Die Verteilung der Manualwerke im Hauptspieltisch ist: Manual I - Hauptwerk der Hauptorgel, Bombardwerk, Trompeteria; Manual II - Oberwerk der Hauptorgel, Fernwerk, Chorpositiv.

Im Bombardwerk findet sich als Besonderheit die Bombarde 16' aus der früheren OESA-Orgel (Organeria Española S.A.) der Kathedrale Basílica del Pilar in Saragossa, Spanien. Dieses Instrument wich 2007 einem Neubau der Firma Klais. Ein weiterer bedeutender Bestandteil dieser früheren Kathedralorgel, die große spanische Trompeteria, wurde 2015 der Orgel der katholischen Kirche St. Jakobus in Rüdesheim hinzugefügt (s. Weblink).

Winddruck (mmWS): Hauptorgel: HW 57, OW und P: 65 / Bombardwerk: 85 / Fernwerk: 77 / Trompeteria: 56 / Chorpositiv: 65. Jedes Werk hat eine eigene Windversorgung mit separatem Balg (die Windzufuhr des Subbass erfolgt über das Bombardwerk). Insgesamt verfügt die Orgelanlage über fünf Gebläsemaschinen.

Stimmtonhöhe: a1 = 441 Hz
Temperatur (Stimmung): gleichstufig
Windladen: Schleiflade / Einzeltonlade
Spieltraktur: mechanisch / elektrisch
Registertraktur: mechanisch / elektrisch
Registeranzahl: 28 (35) + 2 Effektregister
Manuale: 2, C-g3
Pedal: C-f1
Spielhilfen, Koppeln: Normalkoppeln, Sub- und Superkoppeln (Superoktavkoppeln sind im Bombardwerk und in der Trompeteria ausgebaut)



Disposition am Hauptspieltisch (W= Register aus Wirges 1954, L= Register aus St. Ludwig 1955, N = neues Register G = gebrauchtes Register)

I Hauptwerk II Oberwerk Pedal
Holzflöte 8' (W/N) [3]

Prinzipal 4' (W)

Blockflöte 2' (L)

Mixtur 3 fach 1' (L)

Krummhorn 8' (G)

Kuckuck

Zimbelstern


I Bombardwerk

Bombarde 16' [4]

Tromp. harm. 8' [5]

Clairon 4' [6]


I Trompeteria

Trompete 8' [7]

Quinttrompete 51/3' [8]

Fanfare 4' [8]

Metallgedackt 8' [9] (L)

Rohrflöte 4' (N)

Spitzflöte 2' (W/N)

Sifflet 1' (L)

Sesquialtera 2 fach (L) [10]

Hirtenregal 8' (N)

Tremulant


II Chorpositiv

Holzprinzipal 8' [11]

Hohlflöte 8' [12]

Unda Maris 8' [13]

Praestant 4' [14]

Offenflöte 4' [15]

Vox Mirabilis 4 fach [16]


II Fernwerk

Geigenprinzipal 8' [17]

Schwebung 8' [18]

Oktave 4'

Nachthorn 2'

Horndulzian 8'

Schalmey 4'[19]

Untersatz 16' (W)

Rohrgedackt 4' (W)

Liebl. Posaune 16' (G) [20]


Fernwerk Pedal

Gedecktbass 32' [21]

Subbass 16'

Posaune 16' [22]

Anmerkung
  1. Clemens Wunderle hatte Klavierunterricht sowie Unterricht in Tonsatz und Komposition an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und legte die nebenberufliche Kirchenmusikprüfung C in Mainz ab. Er absolvierte den Ausbildungskurs für Orgelsachverständige u.a. an der Oscar-Walcker-Schule, Bundesfachschule für Orgelbau, Ludwigsburg. Auf Initiative des damaligen Mainzer Domorganisten Albert Schönberger hatte Wunderle während seines Theologiestudiums in Passau die Möglichkeit zur Hospitation an der Passauer Domorgel beim früheren Domorganisten Hans Leitner.
  2. Die Intonation erfolgte damals durch Fritz Abend (früherer Chefintonateur der Fa. Eule). Das Abnahmegutachten des Marburger OSV Karl Fritz vom 16. Februar 1956 (vgl. Pfarrarchiv St. Ludwig, Darmstadt) bestätigt: "Die Intonation verdient vollste Anerkennung [...]. Das Pleno hat silberhellen Glanz, aber auch Kraft und Fülle [...]. Die einzelnen Register sind hervorragend in ihrer Schönheit und Charakteristik getroffen [...]".
  3. C-h0 Holzgedeckt (F&N 1954, Wirges), ab c1 offen (Späth 2025)
  4. C-H halbe Länge, ab c0 volle Länge, ab f#2 in französischer Bauweise (das Register stammt aus der früheren Orgel der Kathedrale Basílica del Pilar, Saragossa)
  5. Eigenständiges Register in 8'-Länge. Labial ausgebaut von g#3 bis g5 für Clairon und Superoktavkoppel
  6. Extension der Tromp. harm. 8'
  7. Eigenständiges Register in voller Länge. Ab c0 in französischer Bauweise (Georges Schwenkedel, Straßburg, ca. 1970). Labial ausgebaut von g#3 bis g5 für die Auszüge und für die Superoktavkoppel
  8. 8,0 8,1 Extension der Trompete 8'
  9. C-H Holzgedeckt
  10. Zusammensetzung: C: 4/5' + 2/3' | G#: 11/3' + 4/5' | e0 : 13/5' + 11/3' | c1 : 22/3' + 13/5'
  11. C-H Holzgedeckt, ab c0 offen. Ab f#3 bis g4 Metall (das Register stammt aus der ehem. Orgel der "BVB-Gründerkirche", Dortmund)
  12. C-H von Holzprinzipal 8' danach Metall (das Register stammt aus der ehem. Orgel der "BVB-Gründerkirche", Dortmund)
  13. Ab c0. Als Gemshorn ausgeführt (tiefer schwebend)
  14. Extension von Holzprinzipal 8'
  15. Extension von Hohlflöte 8'
  16. "Mirabilis" = Anspielung auf den Namen Wunderle. Zusammensetzung: C: 2' + 11/3' + 4/5' + 4/9' | f0: 22/3' + 2' + 13/5' + 8/9' | c#3: 31/5' + 22/3' + 2' + 17/9' Das Register wurde von C. Wunderle aus der Hauptwerksmixtur der ehem. Orgel der "BVB-Gründerkirche", Dortmund, unter Hinzufügung eines Prinzipal 2' aus der ehem. Steinmeyer-Orgel der ev. Dreifaltigkeitskirche in Speyer neu zusammengestellt
  17. C-H Holzgedeckt
  18. Ab c0. Als Salicional ausgeführt (höher schwebend). Gebr. Link, Giengen, 1934. c0 bis g0 2025 neu
  19. Aus der Orgel der Hofkirche "Unserer Lieben Frau" in Neuburg an der Donau (2023 dort zugusten eines Cornett V aufgegeben)
  20. Halbe Länge
  21. C-H akustisch aus dem Subbass 16' (Quintschaltung). Ab c0 Extension aus dem Subbass
  22. Transmission der Bombarde 16' aus dem Bombardwerk

Disposition nach Werkstandorten

Hauptorgel

I Hauptwerk II Oberwerk Pedal
Holzflöte 8'

Prinzipal 4'

Blockflöte 2'

Mixtur 3 fach

Krummhorn 8'


Kuckuck

Zimbelstern

Metallgedackt 8'

Rohrflöte 4'

Spitzflöte 2'

Sifflet 1'

Sesquialtera 2 fach

Hirtenregal 8'


Tremulant

Untersatz 16'

Rohrgedackt 4'

Liebl. Posaune 16'




Fernwerk

Manual Pedal
Geigenprinzipal 8'

Schwebung 8'

Oktave 4'

Nachthorn 2'

Horndulzian 8'

Schalmey 4'

Gedecktbass 32'

Subbass 16'

Posaune 16'




Bombardwerk

Bombarde 16'

Tromp. harm. 8'

Clairon 4'




Trompeteria

Trompete 8'

Quinttrompete 51/3'

Fanfare 4'




Chorpositiv

Holzprinzipal 8'

Hohlflöte 8'

Unda Maris 8'

Praestant 4'

Offenflöte 4'

Vox Mirabilis 4 fach



Verweise

Bibliographie

Weblinks: Wikipedia: Liste von Hausorgeln

Wikipedia: St. Ludwig, Darmstadt (Orgel 1955)

Wikipedia: Orgel Rüdesheim, St. Jakobus