Bünde/Ennigloh, Kreuzkirche: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 17. März 2022, 14:28 Uhr
Adresse: Kempenstr. 14, 32257 Bünde (OT Ennigloh), Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Gebäude: Evangelisch-lutherisches Gemeindezentrum Kreuzkirche (erbaut 1956–1958)
Orgelbauer: | Hendrik Ahrend, Leer, op. 211 |
Baujahr: | 2016 |
Geschichte der Orgel: | Anlässlich eines Umbaus der Kirche kam das Thema „Orgel“ wieder in den Blick. Angedacht war der Ankauf einer zum Verkauf stehenden Kölner Orgel, allerdings musste davon schweren Herzens doch Abstand genommen werden wegen der tieferen (historischen) Stimmtonhöhe, durch die ein gemeinsames Musizieren z.B. mit dem Posaunenchor kaum möglich gewesen wäre. Angedacht wurde dann, eine Lücke in der Herforder Orgellandschaft (vorwiegend barocke Stilistiken) durch Bau eines Instrumentes im romantischen Stil zu füllen. Nach Angebotseinholung sollte ein Schweizer Unternehmen beauftragt werden. Dazwischen kam eine unerwartete Unruhe bezüglich Finanzen der „Finanzgemeinschaft des Kirchenkreises Herford“ (diese kann größere Investitionen maßgeblich mitfinanzieren). Durch Rücktritte waren Entscheidungen auf Kirchenkreisebene nun vorübergehend nicht mehr möglich. Als dann die Zusage kam, hatte der EUR gegenüber dem Schweizer Franken massiv an Wert verloren, die vorgesehene Orgel war so nicht mehr finanzierbar. Eine weitere Suche folgte; in der ursprünglich geplanten Stilrichtung konnte der Orgel-Ausschuss aber keine gleichwertigen Alternativen entdecken. Da aber keinesfalls Abstriche an der Qualität gemacht werden sollten, musste neu über das grundlegende Konzept nachgedacht werden. Das Instrument wurde nun im Barockstil geplant, auf dem aber auch kleinere Werke der Romantik darstellbar sein sollten. Das Qualitätskriterium führte den Ausschuss dann recht bald zur Firma Ahrend mit Sitz in Leer. Neben Mitteln des Kirchenkreises unterstützte ein gemeindlicher Förderkreis („Lebendige Steine“) das Projekt maßgeblich ideell und finanziell. (Zusammenfassung eines Festschrift-Beitrags)
Erste Orgel (1958–1960): Gebrauchtes Instrument eines in den Akten ungenannten Orgelbauers, von Kleuker übergangsweise auf der Südempore aufgestellt. Dieses Werk von ca. 1900 dürfte von der Firma andernorts durch einen Neubau ersetzt worden sein. Zweite Orgel (1960–2008): Kleuker-Orgel (II/P/20), Standort Südempore. Probleme durch heizungsbedingte Stimmungsprobleme und damals moderne, verbreitete Materialien. Dritte Orgel (2008–2016): Kleinorgel (Serieninstrument) der Fa. Steinmann (I/5), aufgestellt im Chorraum. |
Stimmtonhöhe: | a1= 440 Hz |
Temperatur (Stimmung): | Kellner-Bach |
Windladen: | Schleifladen Winddruck 65 mm WS |
Spieltraktur: | mechanisch |
Registertraktur: | mechanisch |
Registeranzahl: | 22 (20) |
Manuale: | 2, C–f3 |
Pedal: | C–f1 |
Spielhilfen, Koppeln: | Normalkoppeln |
Disposition
I Hauptwerk | II Nebenwerk | Pedal |
Principal 8'
Hohlflöte 8' Octave 4' Spitzflöte 4' Nasat 22/3' Octave 2' Mixtur 3f Trompete 8' |
Gedackt 8'
Salicional 8' (ab G) Principal 4' Gedackt 4' Gemshorn 2' Sesquialtera 2f Octave 1' Dulcian 8'
|
Subbaß 16'
Octavbaß 8' Gedacktbaß 8' [2] Octavbaß 4' [3] Posaunenbaß 16' Trompetenbaß 8' |
- Anmerkungen
Bibliographie
Anmerkungen: | Zur Gestaltung der neuen Orgel - Gedanken des Orgelbauers (mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)
Eine Orgel beeinflusst in mehrfacher Weise den Raum, zunächst einmal optisch: Ob und wie die Orgel in ihrer äußeren Gestalt Bezug auf den Raum nimmt, ist manchmal Gegenstand langer Diskussion. Durfte die neue Ennigloher Orgel ein Barockmöbel sein - in der 1958 gebauten, also modernen Kreuzkirche? Allzu abwegig ist der Gedanke nicht, da unsere Orgel technisch und klanglich wesentlich auf historischen Konzepten beruht, und auch auf ihr gestaltete Musik und Liturgie auf in der Tradition Bewährtes zurückgreifen. Andererseits sollte das Instrument kein Fremdkörper sein, sondern zum Raum passen und identitätsstiftend wirken, ein Ennigloher Anspruch, der z. B. in Kreuters Bronzechristus und etwa den markant gestalteten Fenstern zum Ausdruck kommt. Wir sind schließlich gestalterisch auf den vergleichsweise schlichten Kirchenraum eingegangen, wobei wir grundsätzlich gerade die Abweichung von einfachsten geometrischen Formen reizvoll finden. Uns ging es um eine Balance zwischen dem Wechsel von Formen und Linien und den Momenten ästhetischer Ruhe, dazu Ornamente, die in gewissem Sinn historisch „pflanzlich“ daher kommen, aber dennoch deutlich zeitgemäß sind. Wichtig war für uns, dass die Ennigloher Orgel eben nicht nur aus „klaren Formen“ besteht, sondern dass „das Auge zu tun“ bekommt; „schön“ kommt von „ansehen“. Zudem haben wir die klanglich und technisch an eine Orgel gestellten Anforderungen beachtet. Von barocken Gestaltungselementen äußerlich geblieben sind neben dem Gehäuse aus massivem Eichenholz die Prospektpfeifen als Abbild des technisch sinnvollen inneren Aufbaus. Allerdings bauen wir Musikinstrumente. Daher steht die klangliche Dimension der Orgel im Vordergrund unseres Konzeptes. (Das kann man auch anders sehen. Und vielerorts ist es gerade umgekehrt: Die Orgel ist eher Skulptur, die Pfeifen sind eine beim Zulieferer gekaufte Nebensache.) Wie bei all unseren Instrumenten hatten der Pfeifenbau und schließlich die Intonation höchste Priorität. Alle Pfeifenbleche - in historischer, standfester und klanglich optimaler Legierung - wurden in unserer Werkstatt gegossen, die Platten zur Mündung hin auf halbe Stärke ausgedünnt und anschließend auf der Innenseite mit der Ziehklinge abgezogen, bevor sie zu Pfeifen verlötet wurden, alles von geübter Hand. In der Werkstatt wurden alle Pfeifen vorintoniert, später in der Kirche über mehrere Wochen dem Kirchenraum klanglich angepasst. Allerdings geschieht Klanggestaltung bereits bei der Planung der Orgel zunächst über die Disposition (Liste der Register), aber auch über die sog. Mensuration, d. h. die Pfeifendurchmesser und deren Verlauf innerhalb der einzelnen Register. Mensuren gelten unter vielen Experten als der (zumeist) geheime Schlüssel zum Klang der alten Meister der Barockzeit, deren Orgeln uns auch heute vielfach noch unübertroffen scheinen. Auch weil unsere Werkstatt darauf spezialisiert ist, bestand in der Kreuzkirche die Motivation, eine Orgel zu bauen, die sich in ihrem Klangkonzept an norddeutsche Bauweisen anlehnt. So wäre es naheliegend gewesen, einfach bekannte norddeutsche Mensuren auf unsere Orgel zu übertragen oder eine der zahlreichen veröffentlichten mathematischen Berechnungsmethoden anzuwenden. (Dabei geht es in dieser Betrachtung grundsätzlich um die Prinzipal-Mensuren als klangliches Rückgrat einer Orgel.) Allerdings hätte man dabei die Raumakustik in Ennigloh und heutige Hörgewohnheiten außer Acht gelassen, die laute, scharfe und allzu gravitätische Klänge weniger vertragen. Der Einbezug des Raums in mathematische (Mensur-)Formeln aber ist unmöglich, ohne dabei gestalterische subjektive Entscheidungen zu treffen. Könnte man sich einfach der Schwerkraft einer etwa wiederentdeckten Formel oder Proportion (Stichwort „Goldener Schnitt“) hingeben, fände Gestaltung gar nicht statt. Entscheidend ist schließlich immer die Wahrnehmung und der Geschmack des Gestalters, selbst wenn man sich auch im Pfeifenbau bei Maßübertragungen geometrischer Hilfsmittel bedient. Der meistgelesene deutsche Orgelexperte um 1700, Andreas Werckmeister, bezeichnet denn auch die Mensuration, um die manche Experten „weitläufige Prozesse“ machen, als „des Columbi Eierkunst“ (Erweiterte und verbesserte Orgelprobe 4. Aufl. 1754, 14. Kap.). So hätten die einen Orgelbauer nach Werckmeister eben weite und andere engere Mensuren, deren Sinn es ohnehin nur sei, den Klangverlauf eines Registers gleichmäßig zu gestalten, ein Ansatz, den Töpfer Mitte des 19. Jahrhunderts mathematisch präzisierte, der aber ästhetisch in eine Sackgasse führte. Allerdings ist die Mensuration in unseren Ohren ein wichtiger klanglicher Parameter. Interessanter als Werckmeisters Ansicht war uns deshalb die Einschätzung von Michael Praetorius, der 1619 formulierte, dass die engere Mensur die eleganteren und feineren Klänge ermöglicht, wohingegen die weitere Mensur vor allem den „faulen Patres“ ermögliche, ihren Beutel schneller zu füllen (Syntagma Musicum II, S. 143), zumal gerade die Intonation weiter Pfeifen tatsächlich leichter fällt. Solche weiteren Mensuren, die eher zu lauten und großen Klängen beitragen finden wir in vielen norddeutschen Orgeln des 18. Jahrhunderts. Für die besondere Akustik in der Kreuzkirche kamen für uns dagegen schließlich nur vergleichsweise engere Mensuren in Frage (die man vor allem in einigen vorbarocken norddeutschen, niederländischen sowie italienischen Werken findet) und ein nicht zu hoher Winddruck bei angemessenen Aufschnitthöhen, ohne die ein prächtiger, feiner Klang besonders der Principal-Pfeifen mit angenehmer Vokalität nicht zu haben ist. Für die Kreuzkirche in Ennigloh eine Orgel gebaut zu haben, erfüllt uns mit Dankbarkeit und Freude. Dabei sind wir zuversichtlich, dass unser Instrument vielen Generationen Freude bereiten wird. Hendrik Ahrend |
Literatur: | Unsere neue Ahrend-Orgel. Festschrift zur Einweihung, 28 Seiten, erhältlich im Gemeindebüro |
Weblinks: | Website der Kirchengemeinde
Beschreibung der Glasfenster auf glasmalerei-ev.net Zeitungsartikel: Acht Jahre Warten haben ein Ende, Kreuzkirche Ennigloh: Neue Orgel feierlich eingeweiht , |