Gerstetten, Michaelskirche

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Link-Orgel in Gerstetten
Orgel im Raum
Seitenansicht
Orgelbauer: Gebr. Link, Giengen an der Brenz
Baujahr: 1853, op. 7
Geschichte der Orgel: 1853 Neubau durch die Gebr. Link aus Giengen im romantischen Stil

1937 Umbau und „Aufnordung“ durch die Erbauerfirma nach Plänen von Helmut Bornefeld

1994 Wiederherstellung der originalen Kastenbalganlage auf dem Dachboden; Restaurierung auf originale Disposition.

2021 Überholung durch Mühleisen, teilw. Neuintonation, neues Gebläse

Windladen: Kegelladen
Spieltraktur: mechanisch
Registertraktur: mechanisch
Registeranzahl: 13
Manuale: 2, C–f³
Pedal: C–d'
Spielhilfen, Koppeln: II/I, II/P, I/P; Kalkantenglocke, Balgtretanlage

Die Orgel kann auch heute noch von einem Calcanten bedient werden.



Disposition 1853/1994

I. Manual II. Manual Pedal
Principal 8'

Gedeckt 8'

Viola di Gamba 8'

Oktav 4'

Oktav 2'

Mixtur 3f 22/3' [1]

Doppelgedeckt 8'

Salicional 8'

Dolce 4'

Traversflöte 4'

Subbass 16'

Violonbass 16' [2]

Oktavbass 8'


Anmerkungen
  1. terzhaltig
  2. teilweise akustisch aus 8'+ 51/3'



Disposition 1937–1994

I. Manual II. Manual Pedal
Principal 8'

Quintade 8' [1]

Oktav 4'

Quinte 22/3' [2]

Waldflöte 2' [2]

Mixtur 4f 11/3' [3]

Gedeckt 8' [4]

Gedecktflöt 4' [5]

Oktav 2' [6]

Tertian 13/5'+ 11/3' [7]

Subbass 16' [8]

Oktavbass 8' [8]

Rohrflöte 4' [9]


Anmerkungen:

  1. z.T. aus Viola di Gamba 8'; gerückt und verschnitten
  2. 2,0 2,1 1937 Verschnitt aus Mixtur, Salicional und Dolce, zT. gerückt
  3. 1937 komplett neu
  4. 1937 aus dem I. Manual; Aufschnitte erniedrigt
  5. 1937 z.T. aus Doppelgedeckt 8' (ein Labium wieder verschlossen [sic!])
  6. aus dem I. Manual, gerückt
  7. 1937 z.T. aus Mixtur
  8. 8,0 8,1 Aufschnitte erniedrigt
  9. 1937 aus Gedeckt 8' des II. Manuals



Bibliographie

Anmerkungen: Aus dem CD-Booklet (s.u.):

Drei Kirchen besitzt die Evangelische Kirchengemeinde Gerstetten und in jeder befindet sich eine Pfeifenorgel von jeweils ganz eigenem Charakter. [...]

Johann David Späth, der Enkel des Gerstetters David Späth, hatte sich in Faurndau bei Göppingen als Orgelbauer niedergelassen. 1777 beauftragte man ihn mit dem Bau einer neuen Orgel für die Michaelskirche (ein Manual und Pedal, 10 Register). Der Orgelbau wurde, wie damals üblich, durch die Versteigerung von Sitzplätzen in der Kirche finanziert. Späth verlangte 506 Gulden, mußte sich aber mit 450 zufriedengeben. Die braune Holzverkleidung der zweiten Empore im Stil der Kanzel markiert noch heute die Stelle, an der diese Orgel in die Brüstung eingebaut war. Die Spielanlage war wohl seitlich. Aus den Akten wissen wir, welche Register diese Späth-Orgel enthielt. Über ihre äußere Gestalt ist nichts bekannt. Ihr Pedal hatte einen Umfang von nur 12 Tönen. Schon nach 75 Jahren mußte sie durch eine neue ersetzt werden, da sie durch Feuchtigkeit total verquollen war. Dies ist nicht unbedingt auf mangelnde Qualität zurückzuführen, sondern eher auf bauliche Mängel an der Kirche. 1853 – im dritten Jahr des Bestehens der Werkstätte in Giengen – baute die Firma Gebrüder Link die heute noch erhaltene Orgel in der damals neuen Technik mit mechanischen Kegelladen und nach den Klangprinzipien der Romantik. Sie verließ als opus 7 die Giengener Werkstatt. Bis heute sind über tausend weitere Instrumente entstanden und die Firma Link ist immer noch für guten Orgelbau hochgeschätzt. Das romantische Klangideal geht von einer breiten Palette von Grundstimmen gleicher Tonlage aus, die durch die Wahl unterschiedlicher Maßverhältnisse gegensätzlich klingen.

Prinzipalregister haben einen vollen, kräftigen, obertonreichen Klang; Flötenregister sind weich, rund, obertonarm, aber tragfähig, während die sogenannten Streicher obertonreich aber dünn klingen. Ab etwa 1925 begann in Deutschland die „Orgelbewegung“. Man entdeckte wieder die Qualitäten von nach barocken Prinzipien gebauten Orgeln und wurde der romantisch geprägten Instrumente überdrüssig. In Gerstetten war es 1939 soweit: Unter Leitung des Orgelbaurevidenten Helmut Bornefeld, der mit der Planung der ersten am Barockideal orientierten Orgel Württembergs Aufsehen erregt hatte, wurde die Link-Orgel von 1853 umgestaltet. Dabei mußte es äußerst sparsam zugehen. Also beließ man die gesamte Technik und den größten Teil der Pfeifen. Die Umbaumethode war recht einfach: Die verpönten engen Streicherregister (z. B. Gambe oder Salicional) konnten durch Abschneiden des Pfeifenkörpers in weite, hochliegende Obertonregister umgearbeitet werden. So erzielte man die gewünschte für Barockorgeln typische steile Klangpyramide.

Dieser Zustand war auf Dauer unbefriedigend. Die z. T. noch romantischen Grundregister und die umgearbeiteten Obertonregister gingen keine klangliche Einheit ein, Lautstärkerelationen stimmten nicht mehr, die nun hochliegende Mixtur verband sich nicht mit den anderen Registern zu einem homogenen Plenum. Weder barocke noch romantische Orgelmusik ließ sich mit diesem heterogenen Pfeifenbestand befriedigend darstellen.

Im Zuge der Planungen zur Innenrenovierung der Michaelskirche stellte sich die Frage nach einer Überholung der Orgel. Das Landesdenkmalamt stellte sie unter Denkmalschutz und empfahl die Wiederherstellung der Klangkonzeption von 1853, da der Umbau nicht als eigenständige künstlerische Überformung zu werten sei und kein homogenes und schlüssiges Gesamtkonzept habe erreicht werden können. Die Ausgangslage für die Rückführung in den Originalzustand war günstig, da nur zwei Register verloren und wichtige Teile der Pfeifen unberührt waren. Der Kirchengemeinderat folgte mit großem Vertrauen dem Rat von Orgelpfleger, Denkmalamt und Organist und beschloß, die Orgel originalgetreu durch die Erbauerfirma Link restaurieren zu lassen. Alle Beteiligten waren sich darin einig, daß an der ursprünglichen Konzeption der Gebrüder Link nichts geändert werden solle. Die Spielpraxis hat sich nach den Möglichkeiten des Instruments zu richten, selbst wenn das ein Umdenken und einen Verzicht auf manche Spieltechniken erfordert. In der Orgel der Nikolauskirche mit ihrem ganz anderen Klangkonzept haben die Organisten eine Alternative, so daß in Gerstetten barocke, romantische und moderne Orgelmusik authentisch darstellbar ist.

1994 wurden die umgestellten Register wieder geordnet und ergänzt und die originalen Tonhöhen der Register wiederhergestellt. Dabei mußte wieder angelötet und angeleimt werden, was 1939 abgeschnitten worden war. Zwei Register mußten in der alten Bauweise neu gebaut werden. Auf dem Dachboden fanden sich noch drei Kastenbälge, die restauriert und mit einer neuen Treteinrichtung versehen wurden, so daß der Wind nun elektrisch oder durch Muskelkraft erzeugt werden kann. Die Kegelladen und die mechanische Traktur wurden überholt. Die Prospektpfeifen, die Pedalklaviatur und die Gebläsemaschine mit Schwimmbalg waren schon früher erneuert worden und blieben. [...]
Walter Blum

Literatur: Christoph Naacke: 150 Jahre Orgelbau Link (1994)
Discographie: Die Orgeln der Evangelischen Kirchengemeinde Gerstetten. Orgeln der Michaelskirche, Nikolauskirche und Jakobuskirche Sontbergen. Daraus: Werke von Mozart, Schumann, Fink, Brahms, Guilmant, Mendelssohn Bartholdy. Walter Blum. 1998, CD (Kleinstauflage, verteilt über die Kirchengemeinde; vergriffen)
Weblinks: Orgelvorstellung auf der Website der Kirchengemeinde

Wikipedia

Eintrag auf orgbase.nl

Datenblatt von kirchbau.de


Videos

Stiftung Orgeltest (4): Gerstetter Orgel musste 50 Jahre lang husten: